Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
darauf in einem Saal wieder, der ihm wie das Paradies vorkam. Im Kamin prasselte ein Feuer, dessen Wärme ihn nach den Tagen draußen magisch anzog. Er sah sich um und glaubte einen Augenblick lang zu träumen. An den Wänden schimmerten im Kerzenlicht herrliche Fresken, die in Allegorien die Geschichte der Kunst erzählten. Um einen schweren Tisch saßen einige Männer und eine Frau. Vermutlich war es die Hausherrin, denn für eine Kurtisane wirkte sie in ihrem hochgeschlossenen Kleid zu züchtig. Gedünstetes Gemüse und gebratenes Fleisch boten sich in duftender Vielfalt in silbernen Schüsseln der kleinen Gesellschaft dar. Ausgehungert, wie er war, sog der Bote die Essensdüfte tief ein. In goldenen Krügen stand Wein, in solchen aus Ton Wasser bereit.
Ein Mann, dessen rundlicher Bauch und rote Nase von seiner Vorliebe für Speis und Trank zeugten, gab gerade einen Scherz zum Besten. Das wollüstige Funkeln seiner Schweinsäuglein ließ auf eine Zote schließen. Als er den Ankömmling bemerkte, erstarrte er mit geblähten Nasenflügeln und gespitzten Lippen mitten im Satz, was ihn noch schweineähnlicher aussehen ließ.
Ascanios Blick wanderte zwischen der Tischrunde und einem Fresko hin und her: Auf der Darstellung erkannte er das Porträt eines Paares, des Hausherrn und seiner Gemahlin. Der Mann, dessen vorgerücktes Alter an seinem Gesicht, nicht aber an seiner dunklen Lockenpracht zu erkennen war, trug ein kostbares, pelzbesäumtes Gewand und saß am Ende des Tisches, die Frau zu seiner Rechten. Als der Hausherr die Hand hob, spielte der Schein der Kerzen im Gold der Ringe an seinen Fingern. Die beiden Lautenspieler hatten ihre Instrumente sinken lassen, und Stille erfüllte den Raum. Alle Blicke waren voller Neugier auf den unerwarteten Besucher gerichtet.
Ascanio trat von einem Fuß auf den anderen und konnte sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten. Eine tiefe Müdigkeit hatte ihn überkommen. Zu gern hätte er sich niedergelegt und ausgiebig geschlafen, aber erst musste er seine Pflicht erfüllen.
»Messèr, seid Ihr der Maler und Baumeister Giorgio Vasari?«, brachte er, an den Mann im Pelzmantel gewandt, mit einem Keuchen hervor. Dieser nickte kurz.
»Mich schickt Messèr Daniele da Volterra, untertänigsten Gruß zuvor, Ihr mögt nicht zögern noch zaudern, sondern, so schnell es eben geht, nach Rom kommen, denn unser aller Meister Michelangelo Buonarroti liegt im Sterben.«
»Nein!«, schrie Vasari und sprang auf. »Nicht Michelangelo! Nimm mich, Herr, aber nicht ihn, nicht ihn!«
Ratlosigkeit, Trauer und Schrecken breiteten sich auf den Gesichtern der Anwesenden aus. Die gute Stimmung war augenblicklich verflogen.
»Ich breche sofort auf!«, entschied Vasari.
Seine Frau wollte ihm den Entschluss ausreden, verwies auf die einbrechende Nacht und riet, den neuen Tag für die Reise zu nutzen, doch er nahm die Argumente, und waren sie auch noch so vernünftig, überhaupt nicht zur Kenntnis. Mit einem Blick auf Ascanio verfügte er, dass dieser bewirtet werden, zu Kräften kommen und ihm anschließend folgen solle.
»Vorerst reicht es aus, wenn mein treuer Giuseppe mich begleitet!«, sagte er, bevor er, nach dem Diener rufend, aus dem Raum stürzte. Vasaris Frau blickte ihrem Gemahl sorgenvoll nach, besann sich dann aber mit einem Seufzen ihrer Pflichten als Hausherrin. Sie bot Ascanio einen Platz am Tisch, Wein und Essen an. Er spürte, dass sie sich dazu überwinden musste, denn er war ein Bote des Todes, und den mochte niemand. Teufel noch eins, fragte sich Ascanio, wann würde das endlich aufhören?
Mit Panik statt Blut in den Adern preschte Giorgio Vasari mit seinem Diener Giuseppe durch die Nacht, durch den Tag und wieder durch die Nacht, getrieben von der Angst um das Leben des Mannes, den er über alles in der Welt verehrte. Zwar war Michelangelo über drei Jahrzehnte älter als er – Il Divino zählte inzwischen achtzig Jahre –, aber Vasari zweifelte nicht daran, dass der Göttliche noch Kunstwerke schaffen würde, wenn sein Körper längst im Vermodern begriffen war. Niemand rechnete mehr damit, dass Michelangelo tatsächlich sterben könnte. Er schien den Tod besiegt zu haben.
Der Architekt dachte nicht an die Gefahren der Dunkelheit, nicht an die Strauchdiebe und Wegelagerer, die in den Berggegenden ihrem blutigen Handwerk nachgingen, sondern nur an ihn, seinen Meister, dem er nach seiner Überzeugung alles zu verdanken hatte.
In einem Flecken, dessen Namen er
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