Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Heimat, Menschen, die ihn liebten. Wie viel hätte er darum geben, dass ihm ein solches Glück vergönnt gewesen wäre. Zum ersten Mal schmeckte er die bittere Erkenntnis, sein Leben falsch gelebt, vergeudet zu haben. Er spürte, wie ihm die Augen feucht wurden. Damit es niemand merkte, räusperte er sich und brummte, er wolle kurz die Gegend erkunden.
Als er aus der Ruine trat, wölbte sich über ihm der römische Abendhimmel, der in allen Rottönen leuchtete. Jetzt war er allein, jetzt durfte er seinen Tränen über sein verpfuschtes Leben freien Lauf geben. Er setzte sich auf einen Feldstein und weinte. Es tat ihm wider Erwarten gut. Und plötzlich konnte er es kaum erwarten, im Himmel zu sein, um seine guten Eltern wiederzusehen. Wie schön wäre es, wieder Kind zu sein, sich wieder in ihrer Obhut zu befinden! Er bemühte sich, bei diesem frühen Glück zu verharren und nicht an jenen Tag zu denken, an dem das Glück zerschlagen wurde.
Das Wiehern von Pferden riss ihn aus seinen Gedanken. Er blickte auf. Eugenio, diesem Teufelsbraten, war es gelungen, eine Kutsche mit vier Pferden aufzutreiben. Fast gleichzeitig erschien Baccio, der einen gut gefüllten Sack über der Schulter trug. Ascanio weckte Antonio, Lucrezia und den ältesten Knaben. »Es ist so weit.« Behutsam trugen sie die anderen Kinder in die Kutsche und verließen Rom schließlich eine Stunde vor Mitternacht, erleichtert, der Hölle entronnen zu sein.
Fünf Tage später trafen sie in Florenz ein und kamen bei Verwandten in der Nähe der Porta San Gallo unter, nach der sich die Familie Sangallo benannt hatte.
Am Ende hatte der unglückliche Clemens VII. doch noch ein Lösegeld gezahlt, und am 17. Februar 1528 verließen die demoralisierten Truppen, die über ein halbes Jahr lang die Römer terrorisiert hatten, die Ewige Stadt. Im April kehrte Antonio in Begleitung von Eugenio zurück. Zuerst inspizierte er den verwüsteten Palazzo und dachte dankbar, dass seine Familie und er dem Tod entronnen waren. Und was den Palazzo betraf: Nichts war zerstört worden, was sich nicht wieder reparieren oder erneuern ließ. Dann begab sich Antonio zur Peterskirche.
Der Neubau und die alte Basilika ähnelten sich auf furchtbare Weise: Die Landsknechte hatten Fenster zerschlagen, Altäre zerstört, Reliquien aus ihren Behältnissen gestohlen oder aus den Reliquiaren Edelsteine herausgebrochen. Am schlimmsten sah es im Tegurium aus. Der Altar über der Memoria des Apostelfürsten Petrus war vollkommen zerstört, das Ziborium ein skurriles Gerippe, aus dem man alles Wertvolle herausgeschlagen oder herausgesägt hatte. Der Architekt wagte nicht, in die Gruft hinunterzusteigen, weil er nicht sehen wollte, was sie mit dem Grab des Apostels angestellt hatten. Er entzündete über der Memoria eine Kerze, die er mitgebracht hatte, und dankte Gott in einem langen Gebet, dass er ihn errettet hatte. Eines erkannte er sofort: Bevor sie mit dem Bauen fortfahren konnten, war eine Menge Aufräum- und Reparaturarbeit zu leisten.
Antonios nächster Weg führte ihn nach Regola ins Haus seines Freundes Maffeo Maffei. Unterwegs zeigte sich ihm eine geschundene Stadt. Die Palazzi der Reichen hatten die Landsknechte genauso geplündert und verwüstet wie die Hütten der Armen. Sie hatten mitgenommen, was sie zu fassen bekamen, ob viel oder wenig. Holzleisten und Gestelle, die früher einmal Möbel waren, Scherben von Geschirr und Krügen, Fensterkreuze, Türflügel und Schlösser, Kleidung, immer wieder zerfetzte Tücher und Papier, Rechnungen, Zeichnungen, Briefe und Bücher bedeckten die Straßen. Wind pfiff durch die Gemäuer, die oft tür- und fensterlos der Witterung schutzlos ausgeliefert waren. In die Augen der Menschen hatte sich Misstrauen geschlichen. Wo waren nur das Selbstbewusstsein und die Frechheit des Popolo geblieben?, fragte er sich. Dann stand er vor dem dreistöckigen Haus von Maffeo. Nachdem damals die Umbauarbeiten an seinem Palazzo beendet worden waren, hatten sie sich sogleich an die Vergrößerung von Maffeos Anwesen gemacht. Selbstverständlich auf Kosten der Baustelle am Petersdom und mit den Baumaterialien von dort. Seit Antonio aus der Engelsburg entlassen worden war und er den Preis für seine Rettung kannte, hatte er jede Hemmung verloren. Er begann, die größte Baustelle der Christenheit zu hassen.
Antonio schaute durch die Tür und entdeckte Arnoldo, Maffeos ältesten Sohn. Er musste inzwischen etwa zwanzig Jahre alt sein, ein großer und schöner
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