Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
junger Mann. Er war gerade dabei, neue Fenster einzusetzen, wobei ihm zwei seiner jüngeren Brüder zur Hand gingen. Antonio fiel ein Stein vom Herzen, dass die Familie des Bauunternehmers die schreckliche Zeit offenbar gut überstanden hatte.
»Arnoldo, wo ist dein Vater?«, rief er beim Eintreten.
Arnoldo schaute ihn erst an, dann begrüßte er ihn ernst. »Die Landsknechte haben ihn gefoltert, um an unser Geld zu kommen. Wir hatten es nämlich vergraben. Er hat geschwiegen, bis in den Tod. Der Sturkopf!« In den Augen stritten Liebe, Trauer und Missbilligung.
Antonio senkte den Kopf. Den Freund und Gefährten tot zu wissen stimmte ihn unsagbar traurig.
»Sie haben Mutter gedroht, dass sie den Leichnam meines Vaters in kleine Streifen schneiden und an die Bluthunde verfüttern würden, da hat sie ihnen das Geld gegeben.«
»Wo ist deine Mutter?«
»Vor Gram gestorben.«
»Und deine Geschwister?«
»Fressen mir die Haare vom Kopf. Nein, Gott sei Dank, sie leben. Aber ich weiß nicht, wie ich sie durchbringen soll.«
»Mit dem Geschäft deines Vaters natürlich!«
Arnoldo sah den Architekten lange an. »Wollt ihr Euch über mich lustig machen? Vater hat mich auf die Lateinschule geschickt. Anschließend hat er mich zwar ins Maurerhandwerk eingewiesen, aber ich bin kein Meister.«
Antonio legte seinen Arm um die Schulter des jungen Mannes. »Ach, weißt du, mein Sohn – denn das sollst du von jetzt ab sein –, ich will versuchen, so gut ich kann, dir deinen Vater zu ersetzen. Als ich deinen Vater kennenlernte, hat er zwar behauptet, dass er ein Meister wäre, aber er war keiner. Ein Unternehmer war er, ein kluger, ein ausgefuchster, mit Mut, mit sehr viel Mut.« Arnoldo stöhnte leise. »Und ich denke doch, dass sein Blut in deinen Adern fließt.«
Der Architekt half dem jungen Mann, der in der Tat die Begabung seines Vaters für das Baugewerbe geerbt hatte, das Familienunternehmen wieder aufzubauen. Während Arnoldo und seine Maurer die Zerstörungen an Antonios Palazzo beseitigten, konnte dieser den jungen Mann bei der Führung seiner Männer beobachten und ihm Ratschläge erteilen. Nur das Atelier wollte Antonio allein renovieren.
Den ganzen Tag über hatte er die Wände verspachtelt, die Spuren von Hellebarden- und Schwerthieben aufwiesen. Sicher hatten die Söldner ihre Wut am Mobiliar und den Wänden ausgelassen, nachdem der flüchtige Spanier Hilfe geholt und den Palazzo leer vorgefunden hatte. An einer Stelle entdeckte er ein kleines Loch in der Wand. Er fasste mit dem Zeigefinger hinein und erfühlte, dass dahinter ein Hohlraum lag. Mit einem Stemmeisen und einem Hammer schlug er den Putz ab, der die Vertiefung verschloss. Vor ihm öffnete sich eine Nische, etwa zwei Handbreit tief und etwas über zwei Fuß hoch, in der zwei Bücher lagen. Antonio nahm sie heraus und ging mit ihnen zum Fenster, um zu sehen, worum es sich handelte. Enttäuscht stellte er fest, dass es sich bei dem einen Buch um ein Exemplar von Dantes »Göttlicher Komödie« handelte.
Weshalb hatte Donato es versteckt? Das Werk genoss doch den besten Ruf. Antonio begann, darin zu blättern. Schließlich stieß er auf den zweiten Teil, auf ein Buch, das in einer Sprache verfasst war, die er nicht kannte. Rasch wurde ihm klar, dass der zweite, nur halb so dicke Band die Übersetzung des ersten enthielt. Ihm stockte der Atem. Vor ihm lag das »Buch der Baumeister«, das Bundesbuch der Fedeli d’Amore . Die Liste der Priore des Bundes am Ende des Originals beeindruckte ihn. Dann versenkte er sich in die Lektüre der Übersetzung. Als die Dunkelheit ins Zimmer floss, holte er sich einen Krug mit Wein und ein paar Kerzen. Niemand trieb ihn, er studierte das Buch. War er nicht der letzte Prior der Gefährten der Liebe? Hatte ihn nicht Donato kurz vor seinem Tod eingesetzt? Nur war er nicht mehr dazu gekommen, ihm zu verraten, wo er das Buch versteckt hatte.
Für einen kurzen Moment erwog Antonio den Gedanken, den Bund wiederzubeleben. Doch wozu? Es gab nur noch zwei Fedeli – ihn selbst und Baldassare Peruzzi. Beide hatten sie kein Interesse an Politik. Und auch nicht an philosophischen und theologischen Spekulationen. Das verdarb das Geschäft und brachte einen nur in Schwierigkeiten. Zudem hatte der Sacco di Roma alle hochgespannten Vorstellungen von der Göttlichkeit und Ewigkeit der Kunst der grausamen Lächerlichkeit preisgegeben. Selbst wenn er daran zweifeln wollte, musste er nur durch Rom gehen und sich die geschändeten
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