Die Lady in Weiß
Ruder übernahm, und eilte nach unten.
„Caro?“ Jeremiah blieb an den Stufen stehen und fragte sich, was mit der Lampe passiert war. „Caro, Liebes, ist alles in Ordnung?“
„Bitte, komm herunter“, flehte sie. „Ich möchte dir etwas zeigen.“
Er tastete sich die letzten Stufen hinab. „Caro, was ist los? Wo ist die Lampe?“
Er hörte, wie sie tief einatmete, und sah ihr Gesicht mit den weit aufgerissenen Augen neben dem Schott. Dann sprang ein Mann auf ihn zu und riss ihn zu Boden.
Hamil. Er erkannte das Gewicht, die Größe, sogar den Geruch des Mannes, als sie miteinander kämpften. Es war wie die Wiederkehr eines Albtraums, derselbe Mann, dasselbe Grauen und die alles verschlingende Dunkelheit.
„Jeremiah“, rief Caro, „das Messer! Nimm das Messer, Liebster! “
Der Mann, das Grauen und die Dunkelheit waren die gleichen wie damals, aber diesmal war Caro hier, seine Caro. Diesmal würde er nicht verlieren. Ihretwegen. Seine Caro, seine Frau, und der Teufel sollte Hamil holen, weil er es gewagt hatte, sie zu berühren. Er, Jeremiah, würde gewinnen, und sie würden überleben.
Mit aller Kraft drängte er Hamil zurück, um genug Zeit zu haben, das Messer aus dem Gürtel zu ziehen. Dann war Hamil wieder über ihm, packte Jeremiahs Hand, die das Messer hielt, und so rollten sie über das schwankende Deck. Es würde der härteste Kampf werden, den er je erlebt hatte, und nur seine Stärke und vielleicht noch Glück würden über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Sie prallten gegen das Schott, und Jeremiah presste einen Arm gegen das Holz, um sich dort abzudrücken. Er musste das Messer tiefer halten, um zustoßen zu können, doch als ihm das gelang, drehte Hamil seine Hand in Jeremiahs Griff ein Stück weiter, und die Klinge seines Messer ritzte die Haut in Jeremiahs Wange. Ein Stückchen höher nur, und er hätte ein Auge verloren.
Hamil drehte seinen Arm noch einmal, um freizukommen, doch diesmal war Jeremiah darauf vorbereitet. Mit aller Kraft drückte er den anderen zurück und presste seinen Arm gegen das Deck. Er schlug ihn gegen die Planken, so fest er konnte, bis der Knochen gebrochen sein musste. Dann hörte er, wie Hamil aufstöhnte, das einzige Anzeichen dafür, dass er verletzt war, und wie das Messer über den Boden rutschte, nachdem es Hamils Fingern entglitten war.
Doch er kämpfte weiter und versuchte, seine Brust zu schützen, indem er sich hin- und herwand, aber Jeremiah wusste, dass er gewonnen hatte. Sein Herz hämmerte wie wild, sein Körper war schweißüberströmt, aber er hatte gewonnen, und das Einzige, was noch zu tun blieb, war, das Leben dieses Elenden zu beenden.
Caro, die am Schott festgebunden war, konnte von den Kämpfenden nicht mehr erkennen als zwei ineinander verschlungene Körper. Die Schläge und das Stöhnen ängstigten sie, und verzweifelt versuchte sie zu lauschen, um zu erfahren, wie es um Jeremiah stand.
Dann, plötzlich, kroch Hamil über den Boden zu dem einfallenden Lichtschein. Mit der linken Hand tastete er nach etwas. Als er in die Dunkelheit zurückrollte, sah sie einen Schimmer von poliertem Metall. Es war eine der Pistolen, die er ihr vorhin gezeigt hatte.
„Jeremiah, er hat eine ... “
Aber ihre Warnung wurde von dem Schuss übertönt, und Pulverdampf brannte in ihren Augen. Dann war alles still. Es war eine furchtbare, unheimliche Stille, die alle ihre Hoffnungen auf eine glückliche Zukunft mit einem Schlag zunichte machte.
„Jeremiah“, schrie sie, und ihre Stimme überschlug sich beinahe vor Angst. „Oh, Jeremiah! “
„Hier bin ich, Liebes“, sagte er. Sie hörte ihn neben sich atmen, als er seine Arme um sie legte. Er bemerkte, dass ihre Hände gefesselt waren, und schnitt das Band durch. „Es ist vorbei.“
Sie presste ihn an sich, so fest sie nur konnte, und doch schien es ihr noch nicht genug zu sein. „Du lebst“, schluchzte sie. „Du lebst, dem Himmel sei es gedankt, und Hamil ist tot!“
„Ja, Liebes“, sagte er müde. „Hamil ist tot, und wir sind endlich frei.“
Epilog
Portsmouth, ein Jahr später
Caro ließ sich im Bug des kleinen Bootes auf das gestreifte Kissen zurücksinken. Ihr seidener Sonnenschirm lag auf der Seite, um ihr Gesicht vor der Nachmittagssonne zu schützen, während sie ihre Finger durch das kühle Wasser des Sees auf dem Grundstück der Herendons gleiten ließ.
„Erzähl mir noch einmal von Providence“, forderte sie Jeremiah auf und lächelte ihn an. „Ich möchte alles
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