Die Launen des Teufels
Schankstube bewegte und der Rothaarige den Kopf hindurchsteckte. »Ihr scheut wohl die Öffentlichkeit«, höhnte er und versicherte sich, dass ihm niemand gefolgt war.
»Was wollt Ihr?«, fragte Bertram schroff und baute sich vor dem kleineren Mann auf, der trotzig zu ihm aufblickte.
»Könnt Ihr Euch das nicht denken?«, gab dieser listig zurück und schenkte Anabel ein anzügliches Lächeln. »Wer immer Ihr seid, ich denke, es ist Euch einiges wert, nicht entdeckt zu werden«, fuhr er ungeachtet des Hasses in Bertrams Blick fort und schob die Hände in die Rocktaschen. »Ich erkenne jemanden, der auf der Flucht ist«, setzte er genüsslich hinzu und verlagerte das Gewicht von einem Bein aufs andere. »Eure Tischmanieren passen nicht zu Euren Gewändern«, erklärte er lächelnd, während Bertram sich nur mühsam davon abhielt, ihm an die dürre Kehle zu gehen.
»Und Ihr«, er wies auf Anabel, »scheint mir ein wenig jung für eine solche Reise.« Sein schmaler Mund verzog sich zynisch. »Vermutlich seid Ihr auf der Flucht vor ihrem Vater«, fuhr er an Bertram gewandt fort. »Und dem zukünftigen Ehemann!«
Die Röte, die Anabel bei diesen Worten in die Wangen schoss, ließ ihn triumphierend die Hände in die Luft werfen. »Dachte ich es mir«, kicherte er zufrieden und deutete mit dem Zeigefinger auf seine ausgestreckte Handfläche. »Zehn Gulden und Euer kleines Geheimnis bleibt unentdeckt. Ansonsten müsste ich den Soldaten mitteilen, dass es sich um den Diebstahl einer Braut handelt.« Er grinste. »Oder was immer es ist, das ihr verbergen wollt. Und das wollt Ihr sicherlich vermeiden. Vermutlich seid Ihr gar nicht aus Tübingen«, grübelte er laut. »Aber das ließe sich sicherlich rasch feststellen.«
Seine Augen verengten sich gierig. »Ihr könnt Euch bis morgen früh überlegen, ob Ihr mein Angebot annehmen wollt«, versetzte er schneidend und kratzte sich am Kopf. »Was sind schon zehn Gulden?« Damit verneigte er sich spöttisch und verschwand durch den Vorhang zurück in die Schankstube, aus der kurz darauf kehliges Gelächter nach nebenan drang.
»Ich werde ihm den Hals umdrehen!«, knurrte Bertram und machte Anstalten, dem Händler zu folgen, doch Anabel hielt ihn mit einem gezischten »Warte!« zurück.
»Es hat keinen Sinn«, warnte sie und bettete Wulf in das Körbchen zu ihren Füßen. »Es war mir klar, dass so etwas früher oder später geschehen würde. Ich bin nur froh, dass es erst jetzt passiert ist.« Der Blick ihrer blauen Augen wanderte zu den mit hölzernen Läden verschlossenen Fenstern. »Es kann nicht mehr weit sein bis Straßburg«, flüsterte sie und griff nach dem Mantel, den sie auf dem Bett abgelegt hatte. »Lass uns unser Glück allein versuchen.«
Bertram runzelte die Stirn, als ihm klar wurde, was sie vorhatte. »Es ist Wahnsinn, ohne Schutz zu reisen«, wandte er halbherzig ein, folgte jedoch ihrer unausgesprochenen Bitte, den Riegel des Fensters zu lösen.
»Weniger wahnsinnig, als sich von diesem Blutsauger erpressen zu lassen«, gab Anabel zurück und raffte die Röcke, um sich mit Hilfe eines Schemels auf das Fenstersims zu schwingen. Den Zeigefinger auf die Lippen gepresst, lauschte sie in die Dunkelheit, bevor sie Bertram zu verstehen gab, ihr den Korb hinauszureichen.
Nachdem sich auch Bertram in den Schnee hatte fallen lassen, huschten sie lautlos auf die Ställe zu, in denen ihre Ochsen untergebracht waren, und schirrten diese so vorsichtig als möglich an. Da sich ihr Fuhrwerk direkt vor dem Tor des Stalles befand, war es ein Leichtes, die Tiere anzuspannen, und keine halbe Stunde später trieben sie die unwillig schnaubenden Ochsen die schlecht gepflasterte Straße auf den Ausgang des Örtchens zu. Im Licht des Vollmondes schlängelte sich der schmale Weg einige hundert Schritte einen Abhang hinab, bevor er von der tintenschwarzen Finsternis des Schwarzwaldes verschluckt wurde. Obschon Bertram das Herz in der Kehle hämmerte, steuerte er das Fuhrwerk ohne zu zögern in die gähnende Düsternis, aus der der wehmütige Schrei einer Eule erklang.
Meile um Meile tasteten sie sich über den von Schlaglöchern durchsetzten Untergrund und folgten dem schlecht zu erkennenden Weg, den verwitterte Holzschilder als Reiseroute nach Westen auswiesen. Immer wieder musste Bertram die Ochsen zügeln, damit Anabel die schwache Kerzenflamme an die moosige Oberfläche halten und die Buchstaben entziffern konnte. Beinahe ein Dutzend Mal brachten sie das Fuhrwerk abrupt zum
Weitere Kostenlose Bücher