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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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diesen von zwei weiteren Gehilfen auf die Plattform bringen. Dort zwang er Conrad auf die Knie und machte die alte Schlinge vom Galgen los, um in aller Gemütsruhe eine neue zu knüpfen.
    Während er damit beschäftigt war, lösten sich der Hauptmann der Wache und der Bürgermeister aus dem Ring Bewaffneter, um ebenfalls das Podest zu besteigen und monoton das Urteil zu verlesen.
    Halb besinnungslos vor Schwäche und Furcht hob Conrad die verkrusteten Lider und suchte die Menge nach einem Priester ab. Jemand musste ihm die Beichte abnehmen, bevor er starb! Ein Schauer schüttelte seinen nackten Leib. Ansonsten war er dazu verurteilt, auf alle Ewigkeit im Fegefeuer zu brennen! Furchtbare Bilder von leckenden Flammen und schlangenzüngigen Dämonen tauchten vor ihm auf. Von Brandblasen überzogene Sünder und immer wieder aufs Neue zerstückelte Verdammte zogen durch seine Vorstellung. Teuflische Fratzen und Folterinstrumente von grausamer Wirksamkeit ließen ihn mit einem heiseren Stöhnen zusammenbrechen.
    »Einen Beichtvater«, flehte er, als ihn einer der Gehilfen zurück auf die Knie beförderte und hob bittend den Blick zu dem über ihm aufragenden Bürgermeister. »Ich muss beichten!«
    Die Augen des Stadtoberhauptes verengten sich einige Atemzüge lang, bevor er verächtlich nickte und einen der Barfüßer zu sich winkte, der zum Gefolge des Abtes gehörte. Nach einem getuschelten Austausch zwischen den beiden hob der Mönch die Achseln, trat auf Conrad zu und hielt ihm ein abgegriffenes Kruzifix entgegen.
    »Herr, vergib mir meine Sünden«, murmelte dieser schwach, während er das hölzerne Kreuz umklammerte, als könne es ihn aus dieser grauenvollen Lage befreien.
    Einige furchtbare Momente schwieg der Ordensbruder und starrte lediglich auf den vor ihm knienden Sünder hinab, der sich vor Kälte schlotternd hin- und herwiegte. Alle Geräusche schienen zu verstummen, während die Anwesenden gebannt die Augen auf das ungleiche Paar richteten.
    »Ego te absolvo«, erklang schließlich die Antwort, die Conrad vor Erleichterung in Tränen ausbrechen ließ. Schluchzend presste er die Lippen auf das kalte Holz und stammelte einen Dank, bevor der Trost spendende Gegenstand seinem Griff entwunden wurde. Als sich der Mönch wenig später wieder in die Menge zurückgezogen hatte, gruben sich behandschuhte Finger in Conrads Oberarme, und er wurde unter der frisch geknüpften Schlinge in Position gebracht. Kalt und steif legte sich der Hanfstrick um seinen Hals, während er zitternd versuchte, sich auf den Beinen zu halten und die Kontrolle über seine Blase nicht zu verlieren. Als der Hauptmann der Wache einige letzte Worte sprach, um die Abwesenheit eines Schöffenspruches zu erklären, blieb Conrads irr hin und her zuckender Blick an einem Augenpaar hängen, das zu einem schadenfroh lächelnden Gesicht gehörte.
    »Da der Verurteilte ein volles Geständnis abgelegt hat, war kein gesondertes Verfahren vonnöten.« Die Worte des Hauptmannes gingen in dem Tosen seines Blutes unter, als Conrad die Lippen las, welche er so oft geküsst hatte.
    »Fahr zur Hölle!«
    In dem Moment, in dem die Falltür unter seinen Füßen nachgab, öffnete sich Cylias Mund zu einem Lachen, welches der letzte Laut war, den Conrad hörte, bevor sein Genick mit einem lauten Knacken brach.
     
    *******
     
    Der Körper des Glockengießers schwang noch an dem Seil hin und her, als sich Henricus abwandte und versonnen auf den Rückweg zur Abtei machte. Entgegen der Vorfreude, welche dieses Ereignis in ihm geweckt hatte, empfand er nicht die tiefe Befriedigung, die er sich vom Tod des Mörders erhofft hatte.
    Das halbe Dutzend Mönche ignorierend, das ihm in hündischer Ergebenheit Schutz vor der Menge zu geben versuchte, bahnte er sich einen Weg durch die Menschen, die wie gebannt in Richtung Schafott blickten. Hie und da verbarg ein Kind weinend den Kopf in den Röcken seiner Mutter, doch der Großteil der Zuschauer schien voll und ganz gefangen von der Bestrafung des Verbrechers. Zwar hätte Henricus ihm am liebsten das Sakrament der Beichte verweigert, doch hätte dies gegen die Gesetze der Kirche verstoßen, die der Abt selbst über alle weltlichen Regeln stellte. Schwer atmend kämpfte er sich am Ufer der Blau entlang in Richtung Abtei, wo er erleichtert in seine Unterkunft floh, um sich die eisigen Hände an der Feuerstelle der Halle zu wärmen. Was war in letzter Zeit nur los mit ihm?, fragte er sich, während sich die Wärme nur

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