Die Launen des Teufels
Marktplatz erklommen, rollte der Gefangene nach hinten und blieb gegen das Gitter gepresst liegen.
Sobald der von einer Doppelreihe Stadtwachen begleitete Zug den Rathausvorplatz erreicht hatte, schloss sich ein Ring Schaulustiger um den Wagen, und die ersten Steine begannen, durch die Luft zu schwirren. Wie immer lockte das angekündigte Schauspiel dicke Menschentrauben an, da eine Hinrichtung einem Volksfest in seiner Anziehungskraft in nichts nachstand. Die besonders Neugierigen kämpften sich mit Schlägen und Tritten nach vorn, und mehr als eine Mutter hob ihr Kind nach Quengeln und Flehen auf die Schultern, damit die Beine der Erwachsenen nicht die Sicht versperrten.
Mit einem knappen Befehl gab der Hauptmann einer kleinen Abordnung zu verstehen, die Menschen zurückzudrängen, was dazu führte, dass den Brocken erzürnte Schimpftiraden folgten, die zu einem zornigen Gebrüll anzuschwellen drohten. Ein kurz darauf ertönender Fanfarenstoß ließ die Gaffer jedoch ehrerbietig verstummen und mit aufgerissenen Augen und Mündern verfolgen, wie der Bürgermeister und der Abt des Franziskanerklosters von Soldaten begleitet von rechts durch die Menge brachen, um sich an die Spitze des Zuges zu setzten. Kaum hatten auch die Fahnenträger ihren Platz eingenommen, schwang der Henker erneut die Peitsche und lenkte sein Gespann unter lautstarken Anfeuerungsrufen in Richtung Donau.
Mit jedem Stoß des Wagens schoss Conrad ätzende Übelkeit in die Kehle, und sie hatten kaum das Schwörhaus passiert, als er sich das erste Mal übergeben musste. Höhnisches Gegröle begleitete dieses Zeichen der Schwäche, und obschon die Gaffer von den Wächtern auf Abstand gehalten wurden, gelang es einigen von ihnen, den Gefangenen mit langen Stöcken zu erreichen. Schmerzhaft bohrte sich eine angespitzte Stange in Conrads Seite und durchstieß die grau-rot verfärbten Binden, die eine Schicht aus getrocknetem Blut mit der Wunde verband. Mit einem Schrei wich er zurück und versuchte zu verhindern, dass die Waffe tiefer in sein Fleisch eindrang. Doch als einer der Soldaten den Mann rüde zur Ordnung rief, war es bereits zu spät. Fingerdick sprudelte ein schwärzlicher Blutstrahl aus dem klaffenden Riss, um sich in einer Lache unter dem zusammengekrümmten Gießer zu sammeln.
»Stecht das Schwein ab!«, keifte eine junge Frau, die Conrad die geballte Faust hinterher schüttelte. »Mörder!«
Weitere Stimmen gesellten sich zu dem schrillen Sopran, und als schließlich das dunkle Band des Flusses vor dem Henkerskarren auftauchte, glich das Toben der Menge einem ohrenbetäubenden Sturm der Wut.
Vorbei an überquellenden Massengräbern voller Pesttoter, über denen Aasvögel kreisten, holperte der Wagen auf die drei Galgen der Stadt zu, die sich Unheil verkündend von dem Hintergrund der schneeschwangeren Wolken abzeichneten. Bizarren Vogelscheuchen gleich schaukelten die schlaffen Körper der Hingerichteten an den lächerlich dünn wirkenden Stricken, die knarrend an den Balken rieben. Der immer mehr auffrischende Wind fuhr in kräftigen Böen unter die zerfetzten Lumpen, legte bleiche Haut frei und zerwühlte die längst verfilzten Schöpfe der Verbrecher. Todesangst und eine anschwellende Welle der Panik ließen Conrad schaudernd verfolgen, wie der Henker vor der grob gezimmerten Plattform haltmachte, die Zugtiere anpflockte und seinem Gehilfen ein Zeichen gab. Daraufhin erklomm dieser die fünf Stufen, zog ein langes Messer aus dem Gürtel und schnitt einen der halb verwesten Gehenkten ab, um Platz für Conrad zu machen. Mit einem dumpfen Laut schlug der Körper des Toten auf dem hohlen Untergrund auf, was die Menge zu einem spontanen Beifallssturm veranlasste. Während Conrad starr vor Grauen verfolgte, wie der Gehilfe die Leiche achtlos zur Seite trat, öffnete sich die Klappe hinter ihm mit einem schleifenden Geräusch und er wurde unsanft aus dem Käfig gezerrt. Kraftlos schlug er auf dem Boden auf, der sich augenblicklich mit seinem Blut verfärbte.
»Steh auf!«, herrschte ihn der Henker an, und als der Gießer dem Befehl nicht sofort Folge leistete, trat er ihm brutal in den Unterleib. Der sich daraufhin über ihn ergießende Schmerz ließ den Gefangenen aufheulend die Beine an die Brust ziehen, was den Henker lediglich dazu veranlasste, erneut auszuholen. »Ich sage es nicht noch mal!«, knurrte er und zog Conrad auf die Beine. Mit einer geübten Bewegung zerriss er das zerlumpte Büßergewand des Verurteilten und ließ
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