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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sagt er. »Sie wurde bereits von ihrem Schöpfer abberufen.«
    »Das ist von Berufs wegen Eure Meinung, nicht wahr, Padre?«, sagt der Arzt. »Gut, dann wollen wir mal sehen.«
    Er geht zum Fenster, zieht die Vorhänge zur Seite und lässt den hellen Strahl der Sommersonne herein. In ihrem Licht begibt er sich ans Bett, sieht auf die alte Frau, seine Hand ruht leicht an ihrem Hals.
    Dann dreht er sich um und ruft: »George, trödel er nicht, Mensch. Führ er sie herein.«
    Der Bauersmann kommt mit der Kuh.
    Der Pfaffe schreit auf. »Nein, Beddoes, wie unschicklich, das geziemt sich nicht! Sie ruht in Frieden, sie ist schon bei den Engeln.«
    Der Arzt beachtet ihn nicht. Mit Hilfe des Bauersmanns, im Beisein seines Sohnes, der mit großen, weit aufgerissenen Augen zusieht, manövriert er den Kopf der Kuh über die reglose Gestalt im Bett. Dann drückt er dem Vieh leicht gegen den Magen, sodass es sein Maul aufsperrt und einen ausgiebigen Schwall seines grasigen Odems der Frau direkt ins Gesicht atmet. Einmal, zweimal, dreimal tut er dies, und beim dritten Mal schleckt die Kuh mit ihrer langen, feuchten Zunge leicht über das bleiche Antlitz.
    Die Frau schlägt die Augen auf.
    Vielleicht erwartet sie Engel oder Jesus oder vielleicht sogar den unbeschreiblichen Heiligenschein der Gottheit selbst zu erblicken.
    Was sie stattdessen undeutlich zu Gesicht bekommt, ist ein aufgerissenes Maul, darüber breite, zuckende Nasenlöcher, die von zwei gebogenen spitzen Hörnern gekrönt werden.
    Sie stößt einen Schrei aus und sitzt aufrecht im Bett.
    Die Kuh weicht zurück, der Arzt legt der Frau stützend den Arm um die Schulter.
    »Ich darf Euch wieder willkommen heißen, My Lady. Wollt Ihr eine kleine Stärkung zu Euch nehmen?«
    Ihr Blick klärt sich, der Schreck schwindet aus ihrer Miene, schwach nickt sie, und der Arzt lässt sie wieder auf ihre Kissen nieder.
    »George, führ er Betsy hinaus«, sagt Beddoes. »Sie hat ihre Pflicht erfüllt.«
    Und zu seinem Sohn sagt er: »Jetzt siehst du, wie das ist, junger Tom. Der Pfaffe predigt Wunder. Aber es liegt an uns geringeren Menschen, sie zu bewirken. Mrs. Jones, ein wenig Kraftbrühe für Eure Herrin, wenn Ihr die Güte hättet.«
    Clifton, Glos., Dezember 1808
    Ein anderes Schlafzimmer, ein anderes Bett, darin eine andere reglose Gestalt, die Arme auf der Brust verschränkt, blinde Augen, die an die Decke starren. Doch hier liegt keine alte Frau, die von Krankheit und Altersschwachsinn in ein Abbild des Todes geworfen wurde. Der Gnade Gottes und den Darreichungen ihres Arztes sei Dank ist sie noch am Leben, Thomas Beddoes Sr. allerdings, erst achtundvierzig Jahre alt und von so kräftigem, resoluten Aussehen wie eh und je, ist seiner alten Patientin nun ins Grab vorausgehüpft.
    Zwei Frauen stehen am Bett, eine, deren Gesicht so sehr von Schmerz gezeichnet ist, dass sie aussieht, als müsste sie statt ihres Ehemannes auf die Totenbahre gelegt werden; die andere, einige Jahre älter, den Arm um die Hüfte der Frau gelegt, spendet Trost.
    »Anne, lass dich vom Schmerz nicht niederringen«, drängt sie. »Denk an die Kinder. Du musst ihnen nun eine Stütze sein, und sie werden dir eine Stütze sein.«
    »Die Kinder … ja, die Kinder«, sagte Anne Beddoes abwesend. »Man muss es ihnen sagen … sie müssen ihn sehen und Abschied nehmen …«
    »Nicht alle«, sagt die andere mit sanfter Stimme. »Tom soll es stellvertretend für die anderen tun. Er ist für sein Alter sehr verständig und wird am besten wissen, wie er es den anderen zu erzählen hat. Soll ich ihn jetzt holen, Schwester?«
    »Bitte, ja, wenn du meinst …«
    »Zuerst aber seine Augen … sollen wir ihm nicht die Augen schließen?«
    Sie betrachten das starrende Gesicht.
    »Der Priester hat’s versucht, aber er konnte die Lider nicht nach unten drücken«, sagt Anne. »Er war im besten Alter, noch voller Tatendrang … ich glaube nicht, dass er schon bereit war, die hiesige Welt zugunsten der jenseitigen zu verlassen …«
    »Es ist ein großer Verlust, für dich, für uns alle, für die Armen in Bristol, die Welt der Wissenschaft. Sammle dich ein wenig, Schwester, dann hole ich den kleinen Tom.«
    Sie verlässt den Raum, muss aber nicht weit gehen.
    Der kleine Thomas Lovell Beddoes sitzt auf der obersten Treppenstufe und liest ein Buch.
    »Tom, mein Lieber, komm mit«, sagt sie.
    Der Junge hebt den Blick und lächelt. Er mag seine Tante Maria. Für die Welt ist sie Miss Edgeworth, die berühmte

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