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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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kaum betrübt über den vorzeitigen Abgang der Brights. Allerdings gab es noch eine ganze Menge anderer Insassen, die nur allzu bereit waren, Dendo einen Gefallen zu erweisen; der Schutz eines Topmanns war also nach wie vor unabdingbar.
    Damit zu Stufe zwei.
    Beim nächsten Aufenthalt im Gemeinschaftsraum näherte ich mich seinem Tisch und stellte mich in gehöriger Entfernung davor, wie sie mir für ein Bittgesuch als angemessen erschien.
    Er ignorierte mich völlig, er sah unter seinen buschigen Augenbrauen noch nicht einmal auf. Die Gespräche und Aktivitäten im Raum wurden weitergeführt, doch über allem lag diese unwirkliche gedämpfte Stimmung, die vorherrscht, wenn alle nur so tun als ob.
    Ich studierte das Schachbrett, während er sich den nächsten Zug überlegte. Er hatte ganz offensichtlich mit einer orthodoxen Damenbauer-Eröffnung begonnen und sie mit einer Abwandlung der Slawischen Verteidigung gekontert. Gegen sich selbst zu spielen ist eine Übung, bei der der Top-Spieler seine Grundfertigkeiten entwickeln kann, die eigentliche Prüfung aber kommt natürlich immer erst dann, wenn man gegen einen gleichwertigen oder überlegenen Spieler antritt.
    Schließlich, nach wohl zwanzig Minuten, wobei uns nur noch fünf Minuten im Gemeinschaftsraum blieben, führte er seinen Zug aus.
    Dann, ohne aufzublicken, sagte er: »Was?«
    Ich trat vor, nahm den schwarzen Läufer und schlug seinen Springer.
    Im Raum wurde es still.
    Natürlich war es eine Falle gewesen, den Springer dem Läufer auszuliefern. Eine, die er sich selbst gestellt hatte und auf die er selbst nicht hereingefallen wäre. Aber ich war darauf hereingefallen. Was er nun wissen wollte, war: Hatte ich es aus reinem Unvermögen getan oder verfolgte ich einen eigenen Plan?
    Jedenfalls hoffte ich, dass er das wissen wollte.
    Nach einer langen Minute, in der er noch immer nicht aufblickte, sagte er: »Stuhl.«
    Ein Stuhl wurde mir gegen die Kniekehlen geschoben, ich setzte mich.
    Die restliche Zeit verbrachte er mit dem Studium des Schachbretts.
    Als die Klingel uns in unsere Zellen zurückrief, sah er mir zum ersten Mal ins Gesicht und sagte: »Morgen.«
    Und so, Mr. Pascoe, ließ ich die erste Stufe meiner Gefängniskarriere, die auch die gefährlichste ist, hinter mir. Hätte ich nur dagesessen und Rachepläne gegen Sie geschmiedet, wäre ich zu diesem Zeitpunkt bereits vergewaltigt, wahrscheinlich verstümmelt, sicherlich jedoch zum Fußabstreifer degradiert worden, den jeder nach Lust und Laune treten und demütigen konnte. Nein, ich musste pragmatisch sein, um mit der bestehenden Situation, so gut ich konnte, zurechtzukommen. Genau so verhält es sich auch jetzt. Ich mache keinen Hehl daraus. Ich will nicht ständig über die Schulter blicken und Angst haben müssen, dass Sie, angetrieben von Ihren eigenen Ängsten, hinter mir her sind.
    Vielleicht werden wir beide eines Tages zu der Erkenntnis kommen, dass die Flucht vor einer Sache, die wir fürchten, sich nicht so sehr von dem Streben nach jener unterscheidet, die wir lieben. Falls und wenn dieser Tag kommt, dann, hoffe ich, mein lieber Mr. Pascoe, werde ich Ihnen ins Gesicht sehen und Ihre ausgestreckte Hand ergreifen und Sie sagen hören: »
     
     
     esus, Maria und Josef!«, sagte Peter Pascoe.
    »Ja, ich weiß, es ist die Jahreszeit«, sagte Ellie Pascoe, die auf der anderen Seite des Frühstücktisches saß und ohne allzu großen Enthusiasmus den Packen Umschläge durchsah, in denen zweifellos Weihnachtskarten steckten. »Aber ist es gerecht, einem radikalen jüdischen Agitator und seiner Bagage die Schuld dafür zuzuschieben, dass der westliche Kapitalismus seinen angeblichen Geburtstag zum Vorwand nimmt, um den großen Reibach zu machen?«
    »Dieser aufgeblasene Kotzbrocken!«, rief Pascoe aus.
    »Ah, ein Ratespiel«, sagte Ellie. »Okay. Das Schreiben stammt vom Königshaus und teilt dir mit, dass die Königin beabsichtigt, dich auf ihrer Neujahrs-Ehrungsliste zur Herzogin zu machen. Nein? Okay, ich geb’s auf.«
    »Es stammt vom vermaledeiten Roote. Er ist, Gott steh uns bei, in Cambridge!«
    »Der vermaledeite Roote? Du meinst Franny Roote? Den Studenten? Den Kurzgeschichtenschreiber?«
    »Nein, ich meine Roote, diesen Ex-Häftling. Den Psycho-Kriminellen.«
    »Ach, den Roote. Und, was schreibt er?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich glaube, der Dreckskerl verzeiht mir.«
    »Das ist doch schön«, gähnte Ellie. »Wenigstens ist das interessanter als diese dämlichen Karten.

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