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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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»Höre, meine Liebe,« sagte sie endlich, »wie wäre es, wenn du mich nachsehen ließest?«
    »Du! Oh nein! Oh nein!... Du bist nicht verheiratet.«
    Pauline konnte sich nicht enthalten zu lachen.
    »Aber das tut nichts. Es würde mich so glücklich machen, dir Erleichterung zu verschaffen.«
    »Nein, ich stürbe vor Scham, ich wagte nie, dir wieder ins Gesicht zu sehen.«
    Es schlug elf Uhr, das Warten wurde unerträglich. Veronika wurde mit einer Laterne nach Verchemont geschickt mit der Weisung, in allen Gräben nachzusehen. Zweimal hatte Luise versucht, sich zu Bett zu legen, ihr brachen die Beine vor Müdigkeit; aber sie hatte sich jedesmal sofort wieder erhoben und stand jetzt aufrecht, die Arme auf die Kommode gestützt, und bewegte sich auf derselben Stelle mit einem beständigen Schaukeln der Hüften. Die Schmerzen, die als plötzliche Anfälle auftraten, folgten jetzt schnell hintereinander und verschmolzen zu einem einzigen Schmerze, dessen Heftigkeit ihr den Atem raubte. Alle Augenblicke ließen ihre tastenden Hände die Kommode los und glitten an ihren Hüften ineinander, stützten und hielten die Hinterbacken fest, als wollten sie das Gewicht, das sie zermalmte, erleichtern. Pauline, die hinter ihr stand, konnte nichts dazu tun; sie mußte sie leiden sehen, wandte den Kopf ab und stellte sich beschäftigt, sowie sie Luise den Pudermantel mit bestürzter Gebärde zusammenraffen sah in der beständigen Sorge um die Verwirrung ihres schönen, blonden Haares und die Entstellung ihres Gesichtes.
    Er war Mitternacht, als ein Geräusch von Rädern das junge Mädchen hastig hinunterzusteigen veranlaßte.
    »Veronika?« rief sie von der Treppe vor dem Hause aus, als sie Lazare und die Hebamme erkannte. »Seid ihr ihr nicht begegnet?« Lazare erzählte ihr, daß sie von Part-en-Bessin kämen; alles mögliche Unglück habe zusammengetroffen: Frau Bouland drei Meilen weit von dort bei einer Frau, die in den Wehen lag, weder Wagen noch Pferd, um sie zu holen, drei Meilen zu Fuß im Laufschritt zurückgelegt und Unannehmlichkeiten ohne Ende. Zum Glück hatte Frau Bouland ein Fuhrwerk.
    »Aber die Frau?« fragte Pauline, »war alles vorüber, daß Frau Bouland sie verlassen konnte?«
    Lazares Stimme zitterte, er sagte dumpf.
    »Die Frau ist tot!«
    Man trat in das Vorzimmer, das von einem auf eine Treppenstufe gestellten Licht erhellt war. Während Frau Bouland ihren Mantel aufhängte, herrschte tiefes Schweigen. Sie war eine kleine, brünette Frau, gelb wie eine Zitrone, mit einer großen, gebieterischen Nase. Sie sprach laut mit herrischer Miene, deretwegen sie von den Bauern sehr verehrt wurde.
    »Wollen Sie mir gefälligst folgen, Frau Bouland«, sagte Pauline. »Ich wußte mir keinen Rat mehr, seit dem Abend hat sie nicht aufgehört zu klagen.«
    In der Stube wiegte sich Luise noch immer vor der Kommode auf den Füßen. Als sie die Hebamme bemerkte, begann sie zu weinen. Diese stellte einige kurze Fragen über die Dauer, den Ort und die Beschaffenheit der Schmerzen. Dann schloß sie trocken:
    »Wir werden sehen... Ich kann nichts sagen, ehe ich nicht erst die Lage festgestellt habe.«
    »So wäre es also jetzt schon?« murmelte die junge Frau in Tränen. »Oh, mein Gott! Zu acht Monaten! Ich glaubte, ich hätte noch einen Monat vor mir.«
    Ohne zu antworten schüttelte Frau Bouland die Kopfkissen und legte sie mitten im Bette übereinander. Lazare war mit dem linkischen Verhalten eines in dieses Niederkunftsdrama hineingeplatzten Mannes hinaufgekommen. Er hatte sich dennoch genähert, einen Kuß auf die in Schweiß gebadete Stirn seiner Frau gedrückt, die keine Empfindung für diese ermutigende Liebkosung zu haben schien.
    »Vorwärts, vorwärts«, sagte die Hebamme.
    Luise sandte Pauline einen bestürzten Blick zu, dessen stummes Flehen diese verstand. Sie führte Lazare mit sich fort, beide blieben auf dem Treppenabsatze stehen, ohne den Mut zum Fortgehen zu haben. Die unten gelassene Kerze erleuchtete das Treppenhaus mit der Helle einer Nachtlampe, es war von wunderlichen Schatten umrissen; und dort standen sie sich gegenüber, der eine an die Mauer, die andere an das Geländer gelehnt, unbeweglich und schweigsam. Ihre Ohren wandten sich dem Zimmer zu. Ein beständiges, leises Wimmern ertönte von dort, zweimal auch ein herzzerreißender Aufschrei! Sie meinten, daß eine Ewigkeit verstrichen sei, bis zu dem Augenblicke, in dem die Hebamme endlich öffnete. Sie wollten gerade hineingehen, als diese sie

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