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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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müßten sie zwingen, eine Stellung anzunehmen, die ihre Zukunft sichere. Ghanteau selbst gab mit Tränen in den Augen seine Zustimmung.
    Am Sonnabend fand ein letztes Mittagessen mit dem Pfarrer und dem Arzte statt. Die sehr leidende Luise konnte sich kaum bis an den Tisch schleppen. Das trübte das Mahl vollends, so große Anstrengungen auch Pauline machte, die jedem zulächelte mit dem Bedauern, dieses Haus, das sie seit Jahren mit soviel Heiterkeit erfüllt hatte, betrübt verlassen zu müssen. Ihr Herz quoll von Kummer über. Veronika bediente mit einer trübseligen Miene. Beim Braten schlug Ghanteau einen Schluck Burgunder aus; ihn ergriff plötzlich eine übertriebene Vorsicht, und er zitterte bei dem Gedanken, daß er bald nicht mehr die Krankenpflegerin haben werde, die mit ihrer bloßen Stimme seine Schmerzen einschläferte. Lazare stritt fieberhaft erregt die ganze Zeit mit dem Doktor über eine neue wissenschaftliche Entdeckung.
    Um elf Uhr war das Haus wieder in tiefe Stille versunken. Luise und Chanteau schliefen bereits, während die Magd noch die Küche in Ordnung brachte. Aber vor der Tür seiner alten Knabenstube, die Lazare immer noch bewohnte, hielt er Pauline wie an jedem Abend zurück.
    »Lebe wohl«, murmelte er.
    »Aber nein, nicht lebe wohl«, sagte sie, sich zum Lachen zwingend. »Auf Wiedersehen, da ich erst am Montag reise.«
    Sie schauten einander an, ihre Augen verdunkelten sich und sie fielen sich in die Arme, ihre Lippen vereinigten sich zu einem letzten glühenden Kusse.

Zehntes Kapitel.
    Als sich am folgenden Tage zum ersten Frühstück alle an dem Tische zum Kaffee niederließen, staunten sie, daß Luise nicht heruntergekommen war. Die Magd ging, um an ihre Tür zu klopfen, als sie endlich erschien. Sie war sehr bleich und ging mühsam.
    »Was ist dir denn?« fragte Lazare unruhig.
    »Ich leide seit dem frühen Morgen. Ich habe kaum die Augen geschlossen; ich glaube, ich habe jede Stunde der Nacht schlagen hören.«
    Pauline wurde böse.
    »Du hättest uns rufen sollen, wir hätten dich wenigstens gepflegt.«
    Als Luise den Tisch erreicht hatte, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus:
    »Oh!« erwiderte sie, »ihr könnt nichts dagegen tun. Ich weiß, was es ist, seit acht Monaten verlassen mich diese Schmerzen fast nie.«
    Ihre sehr beschwerliche Schwangerschaft hatte sie in der Tat an fortwährendes Übelsein, an Schmerzen in den Eingeweiden gewöhnt, deren Heftigkeit sie manchmal tagelang zu einer gekrümmten Haltung zwang. An jenem Morgen waren die Übelkeiten zwar verschwunden, aber sie war wie in einen Gürtel gespannt, der ihren Leib zu zerquetschen drohte.
    »Man gewöhnt sich an Leiden«, sagte Chanteau mit salbungsvoller Miene.
    »Ja, ich muß das mit mir umhertragen«, schloß die junge Frau. »Ich bin deshalb auch heruntergekommen. Oben ist es mir unmöglich, auf einer Stelle zu bleiben.«
    Sie nahm ein paar Schluck Milchkaffee zu sich. Den ganzen Tag schlich sie im Hause umher, sie stand von einem Stuhl auf, um sich auf einen anderen zu setzen. Keiner wagte ihr ein Wort zu sagen, denn sie geriet außer sich und schien mehr zu leiden, sowie man sich mit ihr beschäftigte. Die Schmerzen verließen sie nicht. Kurz vor zwölf Uhr Mittag schien der Anfall nachzulassen, sie konnte sich an den Tisch setzen und etwas Suppe essen. Aber zwischen zwei und drei Uhr stellte sich furchtbares Leibschneiden ein; sie konnte sich nicht mehr halten, ging vom Eßzimmer in die Küche und stieg von dort schwerfällig in ihr Zimmer hinauf, um sogleich wieder herunterzukommen.
    Pauline packte oben ihren Koffer. Sie sollte am folgenden Tage reisen und hatte noch gerade Zeit, ihre Möbel zu durchsuchen und alles zu ordnen. Sie lief aber alle Augenblicke, um sich über das Geländer zu beugen, gepeinigt von den vor Schmerzen schwerfälligen Tritten, welche die Dielen erzittern ließen. Als sie jene gegen vier Uhr noch unruhiger werden hörte, entschloß sie sich, bei Lazare anzuklopfen, der sich in nervöser Erbitterung über die verschiedentlichen Unglücksschläge, mit denen ihn nach seiner Beschuldigung das Geschick überhäufte, bei sich eingeschlossen hatte.
    »Wir können sie nicht so lassen«, erklärte sie. »Man muß mit ihr sprechen. Komm mit mir.«
    Sie trafen sie gerade im ersten Stockwerk, an das Geländer gelehnt, an, sie hatte nicht mehr die Kraft, hinauf oder hinunter zu steigen.
    »Mein liebes Kind,« sagte Pauline milde, »du beunruhigst uns... Wir werden nach der

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