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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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entwickeltes Kind zu haben. Trotzdem klagte sie. »Wenn Sie wüßten, wieviel sie ißt, Fräulein! Und: ich habe keine Wäsche, ich weiß nicht, wie ich sie kleiden soll. Dabei fallen seit Vaters Tode Mutter und ihr Mann über mich her. Sie behandeln mich wie die letzte der letzten und sagen mir, daß, wenn man das Leben eines öffentlichen Mädchens führt, das Geld einbringen muß, anstatt Geld zu kosten.«
    Man hatte in der Tat den alten Kranken eines Morgens in seinem Kohlenkasten tot gefunden, und er war so schwarz von den Schlägen gewesen, daß sich die Polizei einen Augenblick einmengen zu sollen glaubte. Jetzt sprachen die Frau und ihr Geliebter davon, diesen unnützen Dreckfinken erwürgen zu wollen, der seinen Teil von der Suppe beanspruchte!
    »Armer Wurm!« flüsterte Pauline. »Ich habe Sachen beiseitegelegt und bin dabei, ihr ein Paar Strümpfe zu stracken. Du solltest sie mir öfters bringen, hier ist immer Milch, und dann kann sie Suppen von feinem Gries bekommen ... Ich werde bei deiner Mutter vorsprechen und ihr Furcht einjagen, wenn sie dir weiter so droht.«
    Die kleine Gonin hatte ihr Kind wieder an sich genommen, während das Fräulein auch für sie ein Bündel zurecht machte. Sie hatte es niedergesetzt und hielt es auf den Knien, mit der Ungeschicklichkeit eines mit seiner Puppe spielenden Kindes. Ihre hellen Augen bezeugten ein fortwährendes Erstaunen darüber, daß sie es geboren haben sollte, und obgleich sie es genährt, fehlte oft wenig davon, daß sie es fallen ließ, wenn sie es an ihrer platten Brust schaukelte. Das Fräulein hatte sie eines Tages ernstlich gescholten, als sie ihr Kind am Rande der Landstraße auf einen Steinhaufen gesetzt hatte, um mit der kleinen Prouane einen Steinhagel gegeneinander zu beginnen.
    Der Abbé Horteur erschien soeben auf der Terrasse.
    »Da kommen Herr Lazare und der Doktor«, meldete er.
    Man hörte im nämlichen Augenblicke auch das Geräusch des Wagens, und während Martin, der alte Matrose mit dem Holzbein, das Pferd in den Stall brachte, kam Cazenove auf den Hof und rief:
    »Ich führe euch einen Burschen zurück, der außer dem Hause geschlafen hat wie es scheint. Man wird ihm doch nicht den Kopf abschneiden?«
    Dann kam Lazare mit einem matten Lächeln. Er alterte schnell, seine Schultern waren gebeugt, das Gesicht erdfarben, wie verzehrt von der ihn aufreihenden inneren Angst. Ohne Zweifel wollte er gerade den Grund seiner Verspätung erzählen, als das halb offen gelassene Fenster des ersten Stockwerkes wütend zugeschlagen wurde.
    »Luise ist noch nicht fertig«, erklärte Pauline. »Sie wird in einer Minute herunterkommen.«
    Alle schauten sich an, eine peinliche Pause entstand, dieses die Wut verratende Geräusch kündete einen Streit. Nachdem Lazare einen Schritt zur Treppe hin gemacht hatte, zog er vor zu warten. Er küßte seinen Vater und den kleinen Paul, um seine Unruhe zu verbergen, fing er dann mit seiner Base an, zu der er mürrisch sagte:
    »Befreie uns bald von diesem Gewürm. Du weißt, ich liebe es nicht unter meinen Füßen.«
    Er sprach von den drei auf der Bank zurückgebliebenen Mädchen. Pauline beeilte sich, das Bündel der kleinen Gonin zu schnüren.
    »Geht jetzt. Ihr beide könnt eure Genossin heimführen, damit sie nicht noch einmal fällt... Und du sei vorsichtig mit deinem Kindchen. Vergiß es nicht; wieder auf der Straße.«
    Als sie endlich gingen, wollte Lazare den Korb der kleinen Tourmal untersuchen. Sie hatte bereits eine alte, in eine Ecke geworfene Kaffeekanne darin versteckt, die sie sich angeeignet. Man stieß sie alle drei hinaus, die Berauschte taumelte zwischen den beiden anderen.
    »Was für Volk!« rief der Pfarrer und ließ sich an Chanteaus Seite nieder. »Gott verläßt sie sichtlich. Von dem ersten Abendmahl an machen diese Spitzbübinnen schon Kinder, sie trinken und stehlen wie Vater und Mutter. Ich habe ihnen das Elend vorausgesagt, das über sie kommen würde.«
    »Sagen Sie doch, mein Lieber,« fragte der Arzt spöttisch Lazare, »wollen Sie die berühmten Bollwerke wieder aufrichten?«
    Dieser machte jedoch eine heftige Bewegung. Die Anspielung auf die verlorene Schlacht gegen das Meer ärgerte ihn. Er rief:
    »Ich! ... Ich ließ die Flut selbst zu uns dringen, ohne auch nur einen Besen über den Weg zu legen, sie aufzuhalten ... Ach, ganz und gar nicht! Ich bin zu dumm gewesen; man macht solche Dummheiten nicht zweimal! Wenn man bedenkt, daß ich diese Elenden am Unglückstage habe tanzen

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