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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , Alfred Ruhemann
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Abscheu vor Arbeit und Dienstbarkeit immer auf dem Sprunge zur Flucht.
    »Du bist wiedergekommen,« sagte sie mit Milde, »weil du wahrscheinlich über meine Worte vom letzten Sonnabend nachgedacht hast. Ich will einen Rest von guten Vorsätzen in den Besuchen sehen, die du mir noch machst... Du kannst nicht länger ein so häßliches Leben führen, und ich bin nicht reich genug, mir ist es unmöglich, dich zu ernähren, damit du als Nichtstuer lebst. Bist du entschlossen anzunehmen, was ich dir vorgeschlagen habe?«
    Seit ihrem Mangel an Geld suchte sie diesen dadurch zu ersetzen, daß sie andere barmherzige Menschen für ihre Armen interessierte. Doktor Cazenove hatte endlich die Aufnahme der Mutter des Cuche in das Hospital der Unheilbaren von Bayeux durchgesetzt und sie selbst hundert Franken zur Einkleidung des Sohnes beiseite gelegt, für den sie eine Stelle als Maat auf der Linie von Cherbourg gefunden. Während sie sprach, senkte er den Kopf und hörte mit mißtrauischer Miene zu.
    »Es ist abgemacht, nicht wahr? Du begleitest deine Mutter und begibst dich dann auf deinen Posten.«
    Aber sowie sie sich ihm näherte, machte er einen Sprung nach rückwärts. Seine gesenkten Augen verließen sie trotzdem nicht, er hatte geglaubt, sie wolle ihn bei den Handknöcheln fassen. »Was denn?« fragte sie erstaunt.
    Da murmelte er mit den unruhigen Bewegungen eines wilden Tieres:
    »Sie wollen mich fassen, um mich einzusperren. Ich will nicht.«
    Von da an war alles vergebens. Er ließ sie sprechen und schien von ihren guten Gründen überzeugt; sowie sie sich jedoch rührte, drängte er gegen die Tür; mit eigensinnigem Kopfnicken schlug er für seine Mutter und für sich alles aus, er zog vor, nicht zu essen und frei zu sein.
    »Hinaus mit dir, Faulpelz!« schrie endlich Chanteau empört. »Du bist wirklich zu gut, dich mit solchen Taugenichtsen noch abzugeben.«
    Paulines Hände zitterten vor der nutzlosen Barmherzigkeit, der Nächstenliebe, die sich an diesem freiwilligen Elende brach. Sie machte eine Bewegung verzweifelter Duldsamkeit.
    »Laß sie, Onkel, sie leiden und müssen doch essen.«
    Sie rief Cuche, um ihm, wie an den vorhergehenden Sonnabenden, ein Brot und vierzig Sous zu geben. Aber er trat noch weiter zurück und sagte endlich:
    »Legen Sie das auf die Erde und gehen Sie fort ... Ich nehme es auf.«
    Sie mußte ihm gehorchen. Er näherte sich vorsichtig, wobei sein Auge sie keine Sekunde verließ. Als er seine vierzig Sous und das Brot aufgerafft hatte, eilte er mit seinen nackten Füßen im Galopp davon.
    »Wilder!« rief Chanteau. »Er kommt eines Nachts und erwürgt uns alle ... Er ist wie diese Zuchthäuslerstochter da; ich lege meine Hand ins Feuer, daß sie mir neulich mein Halstuch gestohlen hat.«
    Er sprach von der kleinen Tourmal, deren Großvater dem Vater in das Gefängnis gefolgt war. Sie blieb allein mit der kleinen, vor Trunkenheit blöden Prouane auf der Bank zurück. Sie war aufgestanden, ohne scheinbar diese Anschuldigung des Diebstahls gehört zu haben, und hatte zu wimmern begonnen:
    »Haben Sie Mitleid, gutes Fräulein. Jetzt sind nur noch Mama und ich zu Hause, die Gendarmen kommen alle Abende und schlagen uns; mein Körper ist eine Wunde und Mama nahe daran zu sterben... Oh! Gutes Fräulein, wir brauchen Geld, kräftige Brühe, guten Wein...«
    Chanteau, aufgebracht über diese Lügen, rührte sich in seinem Sessel. Aber Pauline würde ihr Hemd hingegeben haben.
    »Schweige«, flüsterte sie. »Je weniger du sprichst, desto mehr wirst du erhalten... Bleib, ich werde dir einen Korb zurechtmachen.«
    Als sie mit einem alten Fischkorbe zurückkam, in den sie Brot, zwei Liter Wein und Fleisch gepackt hatte, fand sie auf der Terrasse eine andere ihrer Kundinnen, die kleine Gonin, die ihr Kind, ein bereits zwanzig Monate altes Mädchen, mitbrachte. Die sechzehnjährige Mutter war so schwächlich, so wenig ausgewachsen, daß sie die ältere Schwester schien, welche die jüngere spazieren führte. Sie hatte Mühe sie zu tragen, aber sie schleppte sie doch dorthin, da sie wußte, daß das Fräulein die Kinder vergötterte und ihnen nichts abschlug.
    »Mein Gott, wie dick sie ist!« rief Pauline und nahm das Mädchen auf den Arm. »Und dabei ist sie kaum sechs Monate älter als unser Paul.«
    Wider Willen warf sie einen traurigen Blick auf den Kleinen, der noch immer in der Decke schlief. Dieses Kind, das schon Mutter und so jung niedergekommen, war recht glücklich, ein so kräftig

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