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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , Alfred Ruhemann
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Füße nicht sicheren Gleichgewichtskünstlers den kurzen Zwischenraum zurückzulegen, brachen alle in Zärtlichkeitsrufe und in eine überströmende Begeisterung aus. Er war in die Arme des Vaters gefallen, der ihn auf das noch spärliche Haar küßte, und lachte mit dem ausdruckslosen, reizenden Lachen der ganz kleinen Kinder, wobei er seinen feuchten Mund weit öffnete, der wie eine Rose schimmerte. Seine Patin wollte ihn auch sprechen lassen, aber seine Zunge war noch mehr zurückgeblieben als seine Beine; er stieß Kehllaute aus, in denen nur die Eltern die Worte Papa und Mama herauszuhören vermochten.
    »Das ist nicht alles, er hat versprochen, auch den Großpapa zu küssen... Nun, das wird eine ganze Reise!« Mindestens acht Schritte trennten Lazares Stuhl von dem Lehnsessel Chanteaus. Paul hatte sich noch nie soweit in die Welt hinausgewagt. Es war also eine große Sache. Pauline hatte sich neben die Straße begeben, die der Kleine machen mußte, um allen Katastrophen vorzubeugen, und es bedurfte zweier langer Minuten, um das Kind anzufeuern. Endlich brach er kühn auf, die Händchen in der Luft. Pauline glaubte ihn jeden Augenblick in die Arme zu bekommen. Allein, er strebte mutig vorwärts und fiel auf die Knie Chanteaus. Laute Bravorufe ertönten rings umher.
    »Habt ihr gesehen, wie er sich hineingestürzt hat? ... Der hat Feuer in den Augen, er wird ganz gewiß ein dreister Bursche.«
    Man ließ ihn den Weg wohl zehnmal machen. Er hatte keine Furcht mehr, lief bei der ersten Aufforderung vom Großvater zum Vater und wieder zurück, laut lachend, sehr belustigt von dem Spiele, immer bereit zu straucheln, als schwanke der Boden unter ihm.
    »Noch einmal zu«, rief Pauline.
    Lazare fing an, müde zu werden. Die Kinder, selbst das seine, langweilten ihn bald. Als er den Kleinen jetzt so heiter und gerettet sah, verursachte ihm der Gedanke, daß dieses Wesen ihn überleben, ihm wahrscheinlich die Augen zudrücken werde, ein Zittern, das ihn vor Angst fast erstickte.
    Seit er sich entschlossen hatte, in Bonneville in den Tag hineinzuleben, beschäftigte ihn nur ein einziger Gedanke: daß er in dem Zimmer sterben werde, wo seine Mutter dahingeschieden war; und er stieg nicht ein einziges Mal die Treppe hinauf, ohne sich zu sagen, daß unvermeidlich eines Tages sein Sarg dort hinausgetragen werde. Der Eingang zum Flur verengte sich und eine schwierige Ecke beunruhigte ihn fortwährend; er quälte sich bei dem Gedanken, wie wohl die Männer den Sarg dort herunterschaffen würden, ohne mit seinem Leichnam anzustoßen. In dem nämlichen Maße, wie das Alter täglich ein Stückchen seines Lebens fortnahm, beschleunigte auch dieser Gedanke an den Tod die Zerstörung seines Körpers bis zu dem Punkte der Vernichtung seiner letzten männlichen Kräfte. Es war mit ihm zu Ende, wie er selbst sagte, er war zu nichts mehr nütze und fragte sich, wozu es sich lohne, sich zu bewegen; er erschöpfte sich auf diese Weise immer mehr in der Torheit seiner Langweile.
    »Noch einmal zu Großpapa«, rief Pauline.
    Chanteau konnte nicht einmal die Hände ausstrecken, um den kleinen Paul zu greifen und zu halten. Vergebens tat er die Knie weg; diese zarten Finger, die sich an seine Beinkleider krampften, entlockten ihm trotzdem tiefe Seufzer. Das Kind war bereits an das endlose Gestöhne des Greises gewöhnt; da es bei ihm lebte, bildete es sich wahrscheinlich in seinem kaum entwickeltem Verständnis ein, daß alle Großväter so litten. Als er jedoch an diesem Tage im vollen Sonnenlichte gegen ihn fiel, hob er sein Gesichtchen auf, stellte das Lachen ein und sah ihn mit seinen unsicheren Augen an. Die beiden mißgestalteten Hände schienen zwei ungeheure Blöcke von Fleisch und Kreide; das von roten Falten durchzogene, vom Leiden zerstörte Gesicht war wie gewaltsam gegen die rechte Schulter gekehrt, während der ganze Körper Höcker und Brüche hatte, wie der eines schlecht zusammengeklebten, alten Heiligen aus Stein. Paul schien überrascht, ihn in der Sonne so krank und so alt zu sehen.
    »Noch einmal! Noch einmal!« rief Pauline.
    Sie sprudelte vor Heiterkeit und Gesundheit, trieb ihn immer von einem zum andern, von dem in seinem Schmerze verhärteten Großvater zu dem schon von dem Entsetzen des morgenden Tages verzehrenden Vater.
    »Der wird vielleicht einer weniger dummen Generation angehören«, sagte sie plötzlich. »Er wird nicht die Chemie anklagen, daß sie ihm das Leben vergifte, und wird glauben, daß man leben kann

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