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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , Alfred Ruhemann
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sterben, sterben!«
    Pauline behielt von diesem Auftritt eine verwunderte Erinnerung zurück. Lazare hatte sich mühsam aufgerichtet, sie kehrten im Dunkel nach Bonneville heim, die Füße von den Wellen bespült, und sie wußten sich nichts mehr zu sagen. Sie sah ihn vor sich dahinschreiten, seine Gestalt schien ihr zusammengeschrumpft und von dem pfeifenden Westwind gebeugt.
    An jenem Abend erwartete sie im Eßzimmer ein neuer Ankömmling im Geplauder mit Chanteau. Man hatte bereits seit acht Tagen auf Luise gerechnet, ein junges Mädchen von elfundeinhalb Jahren, das alljährlich vierzehn Tage in Bonneville zubrachte. Man war aber bereits zweimal vergeblich nach Arromanches gegangen, um sie zu holen, und nun fiel sie ihnen am Abend, als man auf sie am allerwenigsten gefaßt war, in das Haus. Luisens Mutter war in den Armen der Frau Chanteau gestorben und hatte dieser ihre Tochter ans Herz gelegt. Der Vater, Herr Thibaudier, Bankier in Caen, hatte sich nach sechs Monaten zum zweiten Male verheiratet und bereits drei andere Kinder. Er ließ die Kleine, von seiner neuen Familie in Anspruch genommen, den Kopf von Zahlen angefüllt, in einer Erziehungsanstalt und entledigte sich ihrer gern in den Ferien, wenn er sie zu Freunden schicken konnte. Am häufigsten bemühte er sich nicht einmal selbst; ein Diener hatte das Fräulein nach achttägiger Verspätung hergebracht. Der Herr habe so viele Sorgen. Nachdem der Diener noch hinzugefügt, daß der Herr sein Möglichstes tun werde, um das Fräulein persönlich abzuholen, war er sogleich wieder zurückgereist.
    »Komm doch, Lazare,« rief Frau Chanteau, »sie ist hier!«
    Luise küßte den jungen Mann lächelnd auf beide Wangen. Sie kannten sich nur wenig, denn sie war immer in ihrem Pensionat eingeschlossen, er dagegen hatte kaum seit einem Jahre die Schule verlassen. Ihre Freundschaft rührte erst knapp von den letzten Ferien her; er hatte sie überdies förmlich behandelt, da er fühlte, daß sie schon gefallsüchtig war und die geräuschvollen Kinderspiele verachtete.
    »Nun, Pauline, du umarmst sie nicht?« fragte Frau Chanteau beim Eintreten in das Zimmer. »Sie ist die ältere, denn sie zählt achtzehn Monate mehr als du ... Habt euch recht lieb, das wird mir Freude machen.«
    Pauline schaute Luise an, die schlank und fein gebaut war, ein unregelmäßiges, aber sehr reizvolles Gesicht hatte und das schöne, blonde Haar wie das einer Dame geknotet und gekräuselt trug. Als die andere sie ohne weiteres umarmte, gab sie ihr mit zitternden Lippen die Liebkosung zurück.
    »Was hast du denn?« fragte ihre Tante. »Frierst du?«
    »Ja, ein wenig, der Wind ist nicht warm«, entgegnete sie, über die Lüge errötend.
    Bei Tische aß sie nicht. Ihre Augen wandten sich nicht von den Personen ab und nahmen ein wildfunkelndes Schwarz an, wenn sich ihr Vetter, der Onkel oder selbst Veronika mit Luise beschäftigten. Vor allem schien es sie jedoch zu schmerzen, als Mathieu beim Nachtisch die gewohnte Runde machte und seinen dicken Kopf auf die Knie der neu Angekommenen legte. Sie rief ihn vergebens, er wollte jene, die ihn mit Zucker vollpfropfte, nicht verlassen.
    Man hatte sich erhoben. Pauline war verschwunden, als Veronika, die gerade den Tisch abdeckte, aus der Küche kommend, mit siegesbewußter Miene sagte:
    »Madame, Sie finden Pauline so gut ... Sehen Sie nur, was sie im Hofe macht.«
    Alle begaben sich dorthin. Hinter der Remise verborgen, drängte das Kind Mathieu gegen die Mauer und hieb in einem tollen Wutanfalle mit ihren kleinen Fäusten aus vollen Kräften auf seinen Schädel. Der betäubte Hund senkte, ohne sich zu verteidigen, den Kopf. Man eilte zu Pauline, aber sie schlug weiter auf ihn ein. Schließlich mußte sie fortgetragen werden, steif, leblos und so krank, daß man sie sofort zu Bett brachte und ihre Tante einen Teil der Nacht bei ihr wachen mußte.
    »Sie ist reizend, ganz reizend«, wiederholte Veronika, die sich freute, an dieser Perle endlich einen Fehler gefunden zu haben.
    »Ich erinnere mich, daß man mir in Paris von ihren Wutausbrüchen gesprochen hatte. Sie ist eifersüchtig ... Eine häßliche Sache ... Während der sechs Monate ihres Hierseins sind mir gewisse kleine Vorfälle nicht entgangen; aber den Hund töten zu wollen, das übersteigt wahrhaftig alles.«
    Als Pauline am nächsten Morgen Mathieu begegnete, schloß sie ihn in ihre zitternden Arme und küßte ihn unter einem solchen Strom von Tränen auf die Schnauze, daß man den

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