1847 - Schiff der verlorenen Seelen
Sie hatte auch keinen Grund zum Lächeln. Sie hatte sich auf ihre drei Helfer verlassen, doch die waren vernichtet worden. Larissa hatte aus einer sicheren Deckung zuschauen können, wie man ihre Überreste abtransportierte.
Die große Rache war ihr nicht gelungen. Drei Ghouls hatten die Zuhälter killen sollen, aber das hatten sie nicht geschafft. Zwei andere Männer hatten es verhindert. Larissa hatte sie gesehen, als sie das Lokal verlassen hatten.
Der Hass auf die beiden Typen hatte sich wahnsinnig gesteigert. Sie mussten weg. Radikal vernichtet werden. Sie hätte es gern sofort getan, doch das war nicht möglich, weil sie noch etwas anderes zu tun hatte, denn Larissa war eine viel beschäftigte Person.
Sie wartete auf einen Informanten. Es ging um einen Schiffstransport der besonderen Art. Näheres sollte sie von einem Informanten bekommen, der sie genau hier an der Laterne treffen wollte.
Sie hörte Schritte.
War das der Mann?
Er kam noch nicht, aber die dumpfen Laute waren nicht zu überhören. Plötzlich zuckte sie zusammen, denn sie hatte die beiden Typen entdeckt, die auf sie zukamen.
Sie war wohl auch den beiden Männern aufgefallen, die sich in ihre Richtung bewegten. Es waren Gestalten der Nacht, die bei Dunkelheit unterwegs waren und nach Beute suchten. Sie waren die, die kein Mitleid kannten.
Dass sie die einsame Frau im Schein der Laterne sahen, das war für sie eine glückliche Fügung. Sie waren auf der Suche nach Abwechslung gewesen, und dass sie in dieser Nacht noch Erfolg haben würden, daran hatte keiner von ihnen gedacht.
Jetzt sahen sie die Frau.
Larissa blieb gelassen. Sie ließ die beiden Typen näher kommen, denn sie selbst musste ja nicht reagieren, weil sie ja was von ihr wollten.
In einer bestimmten Entfernung blieben sie stehen. Wenn sie ausatmeten, erschienen helle Fahnen vor ihren Lippen, was bei der jungen Frau nicht der Fall war.
Die beiden Männer sagten nichts. Sie schauten nur. Dann grinsten sie. Sie trugen billige Lederklamotten, die Haare hingen ungepflegt an den Seiten herunter, und einer hatte sich einen dünnen Oberlippenbart wachsen lassen.
»So alleine …?«
Larissa nickte. »Das seht ihr doch. Und das will ich auch bleiben. Ist das klar?«
Sie lachten beide, und der mit dem Oberlippenbart fing an zu schnaufen. »Du glaubst doch nicht, dass du uns so behandeln kannst. Wir wollen Spaß haben, und den werden wir uns holen.«
»Geht weiter!« Sie hatte mit ruhiger Stimme gesprochen. »Es ist wirklich besser für euch. Kümmert euch nicht um mich, denn es könnte euch schlecht bekommen.«
Die beiden schauten sich an. Sie lachten wieder. Sie fühlten sich sehr stark, und sie gingen auf die Frau zu. Sie wollten nahe an sie heran, blieben aber stehen, denn plötzlich war etwas in ihre Nasen gedrungen, das sie sich nicht erklären konnten.
»Hier stinkt’s, Rory.«
Rory war der mit dem Bart. »Echt?«
»Ja.«
Jetzt roch Rory es auch. Er zog die Nase hoch und meinte: »Ja, das riecht wie Klo.«
»Nein, es stinkt nach Verwesung oder so.«
Beide dachten nach, bis Rory sagte: »Ich sehe aber keinen Toten.«
»Dann muss es der Boden sein.«
»Oder vielleicht altes Laub«, meinte Rory.
»Ja, auch das ist möglich.«
Sie starrten die Frau an, die keine Angst zeigte und nahezu lässig wirkte.
Das passte ihnen nicht. Vor allen Dingen Rory nicht, der sich räusperte, dann sogar knurrte und unter seine Lederjacke griff, um sein Argument vorzuholen, wie er immer sagte. Das Argument war ein Messer mit langer Klinge, und sein Kumpan tat es ihm nach, denn er holte ebenfalls eine Waffe hervor, die der anderen aufs Haar glich.
Die Typen lachten. Jetzt hatten sie ihren Spaß. Jetzt warteten sie darauf, dass die Frau klein beigab, aber das tat sie nicht. Sie schüttelte nur den Kopf und blickte die beiden fast traurig an.
»Was habt ihr denn damit vor?«
»Kann ich dir sagen«, flüsterte Rory, »wir stechen dich ab. So einfach ist das. Wenn du nicht willst, was wir tun, bist du tot. So schnell geht das bei uns.«
Larissa nickte. »Das hatte ich mir gedacht.«
»Wie schön.« Rory kicherte. »Und du willst bestimmt nicht sterben, oder was?«
»Richtig, ich will leben. Außerdem kann ich nicht sterben.«
»Wieso?«
»Ich bin schon tot.«
»Wie?«
»Ja, ich bin schon tot. Begreift ihr das nicht?«
»Die will uns verarschen.«
Rory nickte. »Das glaube ich auch. Sollen wir uns das gefallen lassen?«
»Nein, auf keinen Fall. Wir lassen uns das nicht gefallen.
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