Die Lebensprinzipien
der Tradition. Moderne Hinterteile lässt es völlig ungepolstert über in der Länge exzessiv ausufernder Opern darben. Das übersteht man am besten mit dem zur Pause gereichten Champagner. Bayreuth ist ein Erlebnis, das viele Kunstfreunde nicht missen möchten und dem manche geradezu religiöse Qualität zugestehen. Wenn man für einen Abend dazugehört, gehört man einfach anders dazu. Und um in Deutschland wirklich dazuzugehören, sollte man sich dort sogar öfter sehen lassen. Im Übrigen ruinierte Wagner mit seinen jovisch ausufernden Opernvorstellungen und -wünschen den bayerischen Märchenkönig Ludwig in so gewaltigem Ausmaß, dass er dessen politisches Ende deutlich beförderte.
Ein moderner Meister bombastisch jovischer Klangerlebnisse ist der schon erwähnte Vangelis, der die modernen Möglichkeiten elektronischer Musik großzügig und ohne jede falsche Bescheidenheit nutzt, um gewaltige Musikwerke zu erschaffen, die wohl selbst die jovischen Altmeister erstaunt hätten.
Der Gedanke der Symphonie, des Zusammenklangs aller Instrumente und Musiker in einem großen Ganzen, das mehr ist als die Summe seiner Teile, ist schon an sich jovisch, weshalb alle großen und großartigen Symphonien und Klangwerke hierher gehören.
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In der bildenden Kunst ist an Gustave Moreaus Gemälde »Jupiter und Semele« zu denken.
In der Baukunst sind beim Jupiterprinzip sämtliche religiösen Bauten und damit alle Kirchen und Synagogen, Tempel und Moscheen, Dome und Kathedralen anzuführen und natürlich die größten und gewaltigsten, aber vor allem auch die wichtigsten: vom Petersdom zur Kaaba, von der Klagemauer bis zur Hagia Sophia, von den großen Moscheen arabischer Hauptstädte bis zum Felsendom in Jerusalem. Auch der bayerische Barock gehört mit seiner oft als überladen empfundenen Üppigkeit zu Jupiter. Die vielgerühmte Wieskirche in Steingaden ist ein Beispiel dieser kirchlichen Baukunst. Dazu passt gut der ausgiebig dem Bier zusprechende, wohlgenährte Mönch mit dem typischen Bierbauch, um den die Kordel kaum herumreicht. Wenn er – wie in der Werbung einer Münchner Brauerei – rund und gesund mit überschäumendem Bierkrug in der Hand auf einem überdimensioniert langen viersitzigen Tandem bequem Platz gefunden hat, sozusagen auf dem Lenker- und Chefposten, ohne Pedale selbstverständlich, und vor ihm strampeln
sich drei kleine, dünne Schwestern ab, stimmt die jovische Welt, die auch eine sehr katholische ist. Sein ist dann eine große Gnade.
In der profanen Baukunst sind entsprechend die höchsten und gewaltigsten Bauten Jupiter zuzurechnen, dazu als berühmteste Brücke die Golden Gate, die als goldenes Tor und rotleuchtendes Bauwerk zwei Städte und Welten verbindet.
Unter den Prominenten treffen wir beim jovischen Lebensprinzip Walt Disney , der seinen Traum einer Kinderwelt in die große Welt pflanzte und dort gewaltig wachsen ließ. Seine Idee gedeiht sogar posthum weiter und erfreut die kleinen Kinder überall und das innere Kind in jedem. Dabei hatte Disney anfangs bei seinem schwierigen Start wirklich nur den Glauben (an sich) – typisch für eine jovische und amerikanische Erfolgsgeschichte. Als Zeichner von Daumenkinos wurde ihm von einem cleveren Geschäftsmann die mit einem Kaninchen verbundene Idee gestohlen. Statt zu klagen, fand Disney jene Maus, die als Micky immer Glück hat und sich und ihm ein Weltreich schuf.
Disneys Entwurf war so einfach und genial wie Mickymaus: eine heile Kinderwelt, in der Glück und Freude herrschen, und das Ganze projiziert auf seine spießige heimatliche Kleinstadt, die er in jedem Disneyland und in jeder Disneyworld bis nach Paris nachbauen ließ. Diese Idee erfuhr weltweite Verbreitung und ließ ein Imperium der Unterhaltungsindustrie entstehen, das Disney enormen Reichtum bescherte. Dieser unglaubliche Erfolg gründete auf seinem Organisationsgenie und seinem Traum, an dem er immer festhielt. Die äußere Welt folgte seinem Traum und seinem im wahrsten Sinne des Wortes welt(en)bewegenden Satz: » If you can dream it, you can do it. «
» Non, je ne regrette rien «, das ist nicht nur der Titel des berühmtesten Chansons von Edith Piaf , es war auch ihr jovisches Lebensmotto: »Nein, ich bedauere nichts.« Der große Bogen ihres nicht langen, aber erfüllten Lebens spannte sich von tiefster Armut und Krankheit bis hin zu einem luxuriösen Leben voll Ruhm und Erfolg.
Unersättlich war ihr Hunger nach Leben, Liebe und Genüssen jeder Art. Sie
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