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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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Kilometer weg, und er hielt auf die Stadtmitte jenseits der schlechten Hotels und geschlossenen Bistros zu. Torbögen aus Walfischknochen waren ins Pflaster eingesenkt – Totems der Fischer, die zu Tausenden im Laufe der Epochen auf See geblieben waren. Diese Bögen gehörten zu den wenigen erhaltenen Bauten der Stadt, die nahelegten, dass die alte Stadt einst prächtiger gewesen war. In diesem Viertel ragten auch drei riesige Reptilienflügelpaare aus Onyx auf, sechzig Meter hoch und in hundert Schritten Entfernung voneinander zu einem Dreieck arrangiert.
    Wieder ein Schrei, doch er wusste nicht, von wo genau. Verflixt unheimlich hier, dachte er. Etwas bewegte sich über seinem Kopf. Ein Garuda? Warum war er so ängstlich? Immerhin war er Soldat, und man erwartete von ihm, in allerbester Verfassung zu sein.
    Plötzlich kamen Katzen auf die Gasse, zwei, vier, unzählige. Ihre Pfoten huschten übers Pflaster, und mitunter schlugen sie einander, ehe sie sich kundschaftend in der Ferne verloren.
    »Ist da wer?«, rief er.
    Nur das Echo kehrte zurück, und er empfand eine Art Schwindel, während die Straße sich seltsam veränderte. Von einer tröstenden Flasche Wodka schien er nun unendlich weit entfernt.
    Hinter der nächsten Ecke entdeckte er etwas, näherte sich und stellte fest, dass ein Toter auf dem Pflaster lag. Der junge Brustkorb war aufgebrochen, die Organe waren aufs Pflaster gerutscht. Seltsamerweise wirkte die Leiche, als wäre sie schon einige Zeit tot, länger jedenfalls als seit dem furchtbaren Schrei. Und er entdeckte Weiteres: Die Wunde war nicht sauber und überdies von losem Haar umgeben, das fein, fest und daumenlang war. Neben dem Toten lag ein blutiges, silbrig schimmerndes Fleischerbeil. Im Licht der Straßenfackeln stieg Dampf aus dem unterirdischen Heizsystem in die eisige Abendluft.
    Wer mag das getan haben?
    Von hinten kam jemand in Stiefeln übers Pflaster, und sofort zog Haust den Säbel. Noch konnte er nichts erkennen und folgte darum den Fassaden. An einer Ecke bröckelten rätselhafterweise Steine, doch noch immer war nichts zu sehen. Haust verharrte reglos, um mit magisch geschärften Sinnen etwas zu bemerken. Eine Katze kam aus einer Gasse getrottet, doch das war hundert Schritte entfernt. Über ihm schimmerte ein zerbrochenes und ausrangiertes Schwert. Von Süden drang der Gesang eines Jorsalirpriesters an sein Ohr, den der Wind herangeweht hatte.
    Dann traf ihn ein Schlag auf den Kopf, und Haust wurde ohnmächtig …
    Metallisches Kreischen weckte ihn schließlich. Rasch begriff er, dass er in einem dunklen Zimmer lag. Warum hatte er den Eindruck, es befinde sich unter der Stadt? Vielleicht wegen der Luft oder der irgendwie gewölbten Decke, die ihn an ein Grab denken ließ. Aus den Augenwinkeln sah er die Kanten und Flächen von Klingen und Messern schimmern, und an den Wänden hingen kleine Schwerter.
    Plötzlich sagte eine deutliche Stimme: »Willkommen in meinem Schlachthaus!«
    »Wer seid Ihr?«, keuchte Haust. Der Mann trug Zylinder, weißes Hemd, Weste und schwarze Kniehose; er war gekleidet wie die exzentrischen Gestalten in den Untergrundtheatern Villjamurs. Er war schlank, trug einen dünnen Schnurrbart und lächelte in einem fort. Rechts von ihm ragte etwas Spinnenähnliches auf, das aber fast menschliche Augen besaß. Mitunter erhob es sich auf die Hinterläufe und rieb die übrigen sechs Glieder, während das Paar Standbeine auf dem Steinboden klackte.
    »Ich?«, gab der Mann mit Zylinder zurück. »Ich betreibe diese kleine Show. Also bin ich im technischen Sinne wohl dein Mörder.«
    »Aber ich bin doch nicht tot … oder?« Haust ließ den Blick erneut durchs Zimmer gleiten, doch noch immer gab es keinen Hinweis für die Annahme, dass er sich noch in einer sicheren Welt befand.
    »Nicht so ungeduldig, Junge«, erwiderte der Mann. »Und eine grammatische Korrektur: Ich werde dein Mörder sein. In diesen Dingen gilt es, genau zu sein! Du hast dir den falschen Abend zum Spazierengehen ausgesucht, stimmt’s?«
    Haust spürte, dass er hochgehoben wurde und jemand ihm ein Seil um die Taille geschlungen hatte. Dann merkte er, dass es mit nichts verbunden war. Als hätte der gut Gekleidete seine verwirrte Miene bemerkt, sagte er: »Ach das … Daran wirst du dann zum Ausbluten und Abkühlen aufgehängt. Das sind so die Prozeduren – und manchmal bin ich sie herzlich leid … Aber du weißt ja, wie es mit diesen Dingen ist.«
    Dünne Rauchspuren nahmen die Umrisse von Armen

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