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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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begonnen, endete unser Gespräch damit, daß wir uns gegenseitig anschauten und keiner den anderen verstand. Später brachte er mir ein Tablett mit etwas zu essen, zwang mir aber nichts auf. Und Hexe durfte über Nacht bei mir bleiben. Ein Teil von mir fragte sich, wie sie reagieren würde, falls die Tür sich öffnete, aber der nüchterne Verstand sagte mir, daß ich mir deshalb keine Sorgen zu machen brauchte. Diese Tür hatte sich für immer geschlossen.
    Es wurde Morgen. Hexe stupste mich und winselte drängend. Seelisch zu erschöpft, um Angst zu haben, daß Burrich es merkte, spürte ich nach ihr. Hunger und Durst, und ihre Blase war zum Platzen voll. Plötzlich nahm ich auch meine eigenen Bedürfnisse wahr. Ich zog mich an, ging mit ihr hinunter und nach draußen und dann zurück in die Küche, um zu frühstücken. Die Köchin freute sich so darüber, mich zu sehen, wie ich es nie erwartet hätte. Hexe bekam eine große Schüssel mit Resten vom Abend vorher und ich sechs dicke, knusprig gebratene Streifen Speck auf duftendem, frischem Brot. Hexes scharfe Nase und herzhafter Appetit regten meine eigenen Sinne an, und ich aß, nicht mit meinem normalen Hunger, aber mit dem natürlichen Bedürfnis eines jungen Geschöpfes nach Nahrung.
    Hinterher gingen wir in die Stallungen, und obwohl ich mich aus Hexes Bewußtsein zurückzog, bevor wir eintrafen, fühlte ich mich erfrischt von der Berührung mit ihren unkomplizierten Instinkten. Burrich richtete sich von irgendeiner Tätigkeit auf, betrachtete mich prüfend, warf einen Blick auf Hexe, schnaufte verdrossen und drückte mir dann eine Saugflasche in die Hand. »Das beste Mittel gegen Trübsinn und Verwirrung ist Arbeit und sich um etwas anderes kümmern«, sagte er. »Die Bullterrierhündin hat vor ein paar Tagen geworfen, und ein Welpe ist zu schwach, um sich gegen seine Geschwister zu behaupten. Sieh zu, ob du ihn heute am Leben erhalten kannst.«
    Es war ein häßlicher Kümmerling, die rosige Haut schimmerte durch das schüttere, grannige Fell. Seine Augen waren noch fest geschlossen, und die lose Haut, in die er hineinwachsen würde, runzelte sich auf seiner Nase. Sein dünner kleiner Schwanz sah genauso aus wie der einer Ratte, und man mußte sich wundern, daß die Mutter nicht von der Ähnlichkeit verführt wurde, ihren eigenen Nachwuchs totzubeißen. Der Kleine war schwach und teilnahmslos, aber ich ließ nicht locker, bis er etwas saugte und sich dabei mit Milch bekleckerte. Das Interesse der Hündin erwachte, sie fing an, ihn zu beschnuppern und zu lecken. Ich nahm eine seiner kräftigeren Schwestern – weiß, mit einem dunklen Fleck über dem Auge – von ihrer Zitze und setzte ihn statt dessen an. Ihr kleiner Bauch war ohnehin rund und prall, sie hatte nur aus Dickköpfigkeit ihren Platz behauptet. Als sie an meinem Finger zu nuckeln begann, spürte ich schon jetzt die enorme Kraft, die diese Kiefer eines Tages besitzen würden. Burrich hatte mir Geschichten von Bullterriern erzählt, die sich in die Nase eines Stiers verbissen und nicht mehr losließen, wie dieser sie auch abzuschütteln versuchte. Er hatte nichts übrig für Leute, die einen Hund darauf abrichteten, verhehlte aber auch nicht seinen Respekt vor dem Mut, der dazu gehörte, einen derart überlegenen Gegner anzunehmen. Unsere Bullterrier wurden zur Rattenjagd gehalten und auf regelmäßigen Patrouillengängen durch Scheunen und Kornspeicher mitgenommen.
    Ich verbrachte den ganzen Vormittag bei der Hundefamilie, und als ich mich schließlich von ihnen trennen mußte, erfüllte es mich mit Genugtuung zu sehen, daß der Kleine sich satt getrunken hatte und selig schlummerte. Am Nachmittag wurden die Boxen ausgemistet. Burrich hielt mich in Trab; kaum, daß ich mit einer Arbeit fertig war, trug er mir die nächste auf, so daß mir keine Zeit zum Nachdenken blieb. Er redete nicht, stellte keine Fragen, doch immer schien er nur ein paar Schritte entfernt etwas zu tun zu haben, als hätte er meine Klage über das Alleinsein wörtlich genommen und wäre entschlossen, sich in Sichtweite aufzuhalten. Zum Abschluß des Tages sah ich noch einmal nach meinem kleinen Schützling, der viel lebendiger wirkte als am Morgen. Ich drückte ihn an die Brust, und er kroch unter mein Kinn, wo er nach Milch suchte. Es kitzelte. Ich hielt ihn ein Stück von mir weg und betrachtete ihn. Er würde eine rosa Nase haben. Man sagt, Bullterrier mit rosa Nasen wären im Kampf die wildesten, aber vorläufig war sein

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