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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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kleiner Verstand nur ein wohliges Gemisch aus Geborgenheit und Verlangen nach Milch und meinem als angenehm empfundenen Geruch. Ich hüllte ihn in meine Zuneigung und lobte ihn für seine neugewonnene Kraft. Mitten in unserem Zwiegespräch lehnte Burrich sich unvermutet über die Trennwand und gab mir eine Kopfnuß, die uns beiden, mir und dem Welpen, ein schmerzliches Aufjaulen entlockte.
    »Genug davon«, ermahnte er mich streng. »Du weißt, ich dulde diese Unart nicht. Außerdem ist es keine Lösung für das, was dich bedrückt. Gib den kleinen Kerl jetzt seiner Mutter zurück.«
    Ich gehorchte, aber nur ungern und keineswegs überzeugt, daß die Kommunikation mit einem jungen Hund keine Lösung wäre. Ich sehnte mich nach einer warmen kleinen Welt aus Stroh und Geschwistern und Milch und Mutter. In diesem Moment konnte ich mir nichts Besseres vorstellen.
    Dann gingen Burrich und ich zum Essen. Er nahm mich mit in den Speisesaal der Soldaten, wo es formlos zuging und niemand verlangte, daß man sich unterhielt. Es war angenehm, nur beiläufig zur Kenntnis genommen zu werden, daß dampfende Schüsseln und Teller an mir vorbeiwanderten, ohne daß jemand mich fürsorglich drängte, etwas zu nehmen. Burrich achtete trotz allem darauf, daß ich etwas in den Magen bekam, und anschließend saßen wir draußen, neben der Hintertür der Küche, und tranken. Bier und Wein waren für mich nichts Neues, aber noch nie hatte ich auf die zielstrebige Art getrunken, in die Burrich mich einweihte. Als die Köchin herauskam und ihn schalt, weil er einen kleinen Jungen zur Unmäßigkeit verführte, bedachte er sie mit einem seiner wortlosen Blicke, der mich an den Abend erinnerte, an dem ich ihn kennengelernt hatte, als er, um Chivalrics guten Namen zu verteidigen, einen ganzen Raum voller Soldaten zum Schweigen gebracht hatte. Und sie ging.
    Er brachte mich selbst hinauf in mein Zimmer, beförderte mich ins Bett und warf mir eine Decke über. »Jetzt wirst du schlafen«, ordnete er mit rauher Stimme an. »Und morgen tun wir das gleiche wieder. Und wieder. Bis du eines Tages aufwachst und feststellst: Was immer es war, es hat dich nicht umgebracht.«
    Damit blies er die Kerze aus und ging. In meinem Kopf drehte sich alles, meine Glieder schmerzten von der harten Arbeit. Trotzdem schlief ich nicht. Ich weinte. Der Alkohol hatte die Starre gelöst, die Versteinerung in meinem Innern, und ich weinte. Nicht leise. Ich schluckte und würgte, meine Kehle wurde eng, meine Nase lief, und ich schluchzte so laut und krampfhaft, daß ich kaum noch atmen konnte. Ich glaube, ich vergoß jede Träne, die ungeweint geblieben war, seit mein Großvater meine Mutter gezwungen hatte, mich herzugeben. »Mama!« hörte ich mich rufen, und plötzlich war ich von Armen umschlungen, die mich festhielten.
    Chade drückte mich an die Brust und wiegte mich, als wäre ich noch ein kleines Kind. Selbst in der Dunkelheit erkannte ich diese knochigen Arme und den Geruch nach Staub und Kräutern. Ungläubig klammerte ich mich an ihm fest und weinte, bis ich heiser war und mein Mund so ausgedörrt, daß kein Laut mehr herauskam. »Du warst im Recht«, sagte er über meinem Kopf, leise, beschwichtigend. »Du warst im Recht. Ich habe von dir verlangt, etwas Falsches zu tun, und es war richtig von dir, nein zu sagen. Du wirst nie wieder so auf die Probe gestellt werden. Nicht von mir.« Als ich endlich still war, verließ er mich für kurze Zeit und brachte mir dann einen Trunk, lauwarm und fast geschmacklos, aber kein Wasser. Er hielt das Glas an meine Lippen, und ich trank es widerspruchslos leer. Dann legte ich mich zurück, auf einmal so schläfrig, daß ich mich nicht einmal erinnern kann, wie Chade hinausging.
    Ich erwachte kurz vor Tagesanbruch, und nach einem herzhaften Frühstück meldete ich mich bei Burrich. Die Arbeit ging mir schnell von der Hand, nichts war mir zuviel, und ich konnte beim besten Willen nicht verstehen, weshalb er so bleich und übellaunig herumschlich. Er brummte etwas von »trinkfest wie sein Vater« und ließ mich ungewöhnlich früh gehen, mit der Bemerkung, ich solle mich mit meiner penetranten Fröhlichkeit anderswohin verfügen.
    Drei Tage später wurde ich in aller Herrgottsfrühe zum König gerufen. Er war bereits angekleidet, und auf einem großen Tablett standen Speisen für mehr als eine Person. Sobald ich eingetreten war, schickte er seinen Leibdiener hinaus und forderte mich auf, Platz zu nehmen. Ich setzte mich an den

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