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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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vermieten oder diese Wohnung verkaufen und dafür eine kleinere kaufen. Nein, das ging nicht! Die Wohnung war auf
     Mitjas Namen eingetragen, Olga hatte sich abgesichert, ohne ihre Einwilligung würde Katja nicht verkaufen können. Sie war
     ein Nichts, eine Null, sie hatte nicht einmal jemanden, den sie anrufen konnte, alle Freunde waren Mitjas Freunde, eigene
     hatte sie nie gehabt. Ihr blieb nur noch der Strick, wie Mitja. Aber nein, das war zu schrecklich, schrecklicher noch als
     die Einsamkeit. So blieb wenigstens die Seele erhalten. Hier auf Erden quält man sich, aber später darf sich die Seele dann
     ausruhen.
    Mit wem hatte sie neulich noch über die Unsterblichkeit der Seele gesprochen? Es war jemand sehr liebes, warmherziges gewesen
     … Natürlich! Regina Valentinowna! Warum war ihr das nicht gleich eingefallen?
    Katja stellte das Wasser ab, streifte den Slip und das T-Shirt vom Körper und hüllte sich in ein großes Frotteetuch. Mit nassen
     Füßen schlurfte sie in die Küche, setztesich an den Tisch, zündete sich eine Zigarette an und nahm den Telefonhörer ab.
    Für eine Sekunde blieb ihr Blick an dem dicken Gasrohr über der Küchentür hängen, und vor ihren Augen erschien wieder Mitja,
     tot. Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, sie schüttelte den Kopf und schloß die Augen, um das Gespenst zu verjagen,
     und wählte die Nummer, die sie auswendig kannte.
    Der Hörer wurde sofort abgenommen.
    »Regina Valentinowna, entschuldigen Sie, daß ich so spät störe.«
    »Das macht nichts, Katja, ich habe noch nicht geschlafen. Du hattest heute einen sehr schweren Tag, ich habe deinen Anruf
     erwartet.«
    »Wirklich?« fragte Katja erfreut. »Können wir jetzt vielleicht eine Sitzung machen?«
    »Natürlich, mein Kleines. Wir müssen sogar!«
    Katja schloß die Augen und begann mit seltsam monotoner Stimme in den Hörer zu sprechen:
    »Mitja ist tot. Ich habe das erst jetzt begriffen, als ich von der Totenfeier zurückkam und ganz allein war. Ich habe Angst,
     weil ich allein bin. Olga kann mich aus der Wohnung werfen, ich habe kein Geld, ich habe gar nichts, heute habe ich sogar
     eine Freundin von Olga um Geld gebeten. Wir sind zum Rauchen auf die Treppe gegangen. Olga hatte das so arrangiert, sie wußte,
     ich brauche eine Spritze, und hat diese Lena mit mir auf die Treppe geschickt. Lena hatte Mitleid mit mir, hat mich ausgefragt.
     Sie hat sogar gefragt, ob Mitja auch gefixt hat. Wie konnte sie das nur von ihm denken? Sie hat irgendwelche Kratzer auf seiner
     Hand entdeckt.«
    »Lena Poljanskaja?« fragte die Stimme im Hörer vorsichtig.
    »Ja, ich glaube, so hieß sie. Genau erinnere ich mich nicht. Ich habe gesagt, wenn sie ein so guter und mitfühlenderMensch ist, soll sie mir lieber Geld geben. Und jetzt schäme ich mich. Ich ahne, daß ich bald alle anbetteln werde. Vorläufig
     habe ich noch Ampullen, aber lange reichen sie nicht mehr. Ich habe Angst. Ich halte das nicht aus.«
    »Du wirst es aushalten, mein Kind.« Die Stimme im Hörer war ruhig und freundlich. »Sprich bitte weiter.«
    »Dann saßen wir beim Essen, aber das ist alles wie im Nebel, ich weiß nicht einmal, wer mich nach Hause gebracht hat. Niemand
     hat um Mitja geweint, nur ich. Olga hat geglaubt, ich führe mich hysterisch auf, weil ich eine Spritze brauche. Sie versteht
     gar nicht, wie man um einen Menschen weinen kann, ihre einzige Sorge ist, daß ihre kostbaren Bälger nichts merken und niemand
     erfährt, daß ich fixe.
    So machen sie es immer, wichtig ist ihnen nur die ehrbare Fassade, wie die Wirklichkeit dahinter aussieht, ist ihnen ganz
     egal. Ich bin doch auch ein Mensch, aber mit mir hat niemand Mitleid gehabt. Diese Poljanskaja hat Olga nur eingeladen, weil
     die Oma sie gern hat. Mich hat niemand gern. Der Mann von der Poljanskaja fliegt heute nacht nach England, ich hab gehört,
     wie sie darüber gesprochen haben. Sie hat eine kleine Tochter. Lisa heißt sie.
    Die haben alles, und ich habe nichts. Meine Eltern wollen von mir nichts wissen, Mitja hat mich verlassen. Er war es leid,
     sich mit mir herumzuschlagen, meine Drogen haben ihn alle seine Nerven und Kräfte gekostet. Aber weggehen und sich scheiden
     lassen, das hat er nicht fertiggebracht, den Mumm hatte er nicht. Mein Gott, was rede ich bloß?« Als sei sie plötzlich zur
     Besinnung gekommen, öffnete Katja die Augen und griff nach der nächsten Zigarette.
    »Reg dich nicht auf, Kindchen. Was raus muß, muß raus. Du kennst doch unsere

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