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Die letzte Generation

Die letzte Generation

Titel: Die letzte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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Form von Kunst? War in diesem Falle der Zweck des Besuchs rein ästhetisch, oder hatte Karellen weniger harmlose Beweggründe?
    All diese Angelegenheiten wurden endlos erörtert, während man die Vorbereitungen traf. Man wußte nichts über den Overlord, dessen Besuch erwartet wurde, aber man nahm an, daß er Kultur in unbegrenztem Umfang in sich aufnehmen könne. Wenigstens würde das Experiment versucht und das Verhalten des Opfers von einer Schar sehr kluger Köpfe beobachtet werden.
    Der jetzige Ratspräsident war der Philosoph Charles Yan Sen, ein ironischer, aber im Grunde heiterer Mann, noch nicht sechzig Jahre alt und daher noch in der Blüte des Lebens. Plato hätte in ihm das Beispiel des Philosophen-Staatsmannes gesehen, obwohl Sen keineswegs mit Plato einverstanden war, den er im Verdacht hatte, Sokrates gröblich mißzuverstehen. Sen war einer der Inselbewohner, die entschlossen waren, den Besuch nach Möglichkeit auszunutzen, wenn auch nur, um den Overlords zu zeigen, daß die Menschen noch sehr viel Initiative besaßen und noch nicht, wie er es ausdrückte, völlig gezähmt waren.
    Nichts in Neu-Athen wurde ohne eine Kommission getan, dieses letzte Merkmal der Demokratie. Tatsächlich hatte irgend jemand einmal die Kolonie als ein System von ineinandergreifenden Kommissionen bezeichnet. Aber das System funktionierte, dank der geduldigen Studien der Sozialpsychologen, die die wirklichen Gründer Neu-Athens gewesen waren. Da die Gemeinschaft nicht allzu groß war, konnte jeder an der Verwaltung Anteil nehmen und im besten Sinne des Wortes ein Bürger sein.
    Es war fast unvermeidlich, daß George, als führendes Mitglied der Künstlerhierarchie, dem Empfangskomitee angehörte. Aber er traf seine Maßnahmen. Wenn die Overlords die Kolonie studieren wollten, wünschte George sie gleichfalls zu studieren. Jean war nicht sehr glücklich darüber. Seit jenem Abend bei Rupert Boyce empfand sie eine gewisse Feindseligkeit gegen die Overlords, obwohl sie keinen Grund dafür angeben konnte. Sie wünschte nur, so wenig wie möglich mit ihnen zu tun zu haben, und für sie war einer der Hauptanziehungspunkte der Insel die erhoffte Unabhängigkeit gewesen. Jetzt fürchtete sie, daß diese Unabhängigkeit bedroht sein könne.
    Der Overlord traf ganz zwanglos in einem gewöhnlichen, von Menschen gebauten Flugzeug ein, zur Enttäuschung derjenigen, die etwas Sensationelles erwartet hatten. Es hätte Karellen selbst sein können, denn niemand war jemals imstande gewesen, mit einiger Zuverlässigkeit einen Overlord von einem anderen zu unterscheiden. Sie schienen alle mit Hilfe des gleichen Prägestocks hergestellt worden zu sein. Vielleicht waren sie es sogar – durch einen unbekannten biologischen Vorgang.
    Nach dem ersten Tage hörten die Inselbewohner auf, dem Regierungswagen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, wenn er auf seinen Besichtigungsfahrten vorbeibrummte. Der richtige Name des Besuchers, Thanthalteresco, erwies sich für den allgemeinen Gebrauch als zu schwierig, und er wurde bald „der Inspektor“ genannt. Das war ein recht passender Name, denn seine Wißbegier und sein Verlangen nach statistischem Material waren unersättlich.
    Charles Yan Sen war ganz erschöpft, als er lange nach Mitternacht den Inspektor zu dem Flugzeug zurückbegleitet hatte, das als sein Stützpunkt diente. Dort würde er zweifellos die Nacht durcharbeiten, während seine menschlichen Gastgeber sich der Schwäche des Schlafes hingaben.
    Frau Sen begrüßte ihren Mann bei seiner Rückkehr voller Sorge. Sie hingen sehr aneinander, obwohl er sie scherzhaft Xanthippe nannte, wenn sie Gäste hatten. Sie hatte vor langer Zeit gedroht, die passende Rache zu nehmen, indem sie ihm einen Schierlingsbecher braute, aber glücklicherweise war dieses Kraut im neuen Athen weniger alltäglich als im alten.
    „War es ein Erfolg?“ fragte sie, als ihr Mann sich zu einer verspäteten Mahlzeit niederließ.
    „Ich glaube schon, aber man kann nie sagen, was in diesen merkwürdigen Köpfen vorgeht. Er war bestimmt interessiert und machte uns sogar Komplimente. Ich habe mich übrigens dafür entschuldigt, daß ich ihn nicht hierher eingeladen habe. Er sagte, das verstehe er durchaus, und er habe keine Lust, sich den Kopf an unserer Zimmerdecke zu stoßen.“
    „Was hast du ihm heute gezeigt?“
    „Die geschäftliche Seite der Kolonie, die er nicht so langweilig zu finden schien, wie ich es immer tue. Er stellte jede Frage, die du dir nur vorstellen

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