Die letzte Generation
Tränen aus, als ihr Sohn ihr zurückgegeben wurde, denn sie war völlig überzeugt gewesen, daß er ins Meer hinausgerissen worden wäre. Sie hatte mit entsetzten Augen beobachtet, wie die schwarze, schaumgekrönte Wasserwand sich brüllend vom Horizont herangewälzt hatte, um die Felsen von Sparta zu zerschmettern. Es schien unglaublich, daß Jeff sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht haben könnte.
Es war kaum überraschend, daß er keinen sehr vernünftigen Bericht über das Geschehene geben konnte. Als er gegessen hatte und im Bett lag, standen Jean und George neben ihm.
„Schlaf jetzt, Liebling, und vergiß das ganze“, sagte Jean. „Du bist jetzt ganz in Ordnung.“
„Aber es hat Spaß gemacht, Mammi“, widersprach Jeff. „Ich habe nicht wirklich Angst gehabt.“
„Das ist gut“, sagte George. „Du bist ein tapferer Junge, und es ist gut, daß du vernünftig warst und rechtzeitig davongelaufen bist. Ich habe schon früher von diesen Sturmfluten gehört. Eine Menge Leute ertrinken, weil sie auf den freigelegten Strand hinausgehen, um zu sehen, was geschehen ist.“
„Das habe ich auch getan“, gestand Jeff. „Ich möchte wissen, wer mir geholfen hat.“
„Was meinst du? Du warst allein. Die anderen Jungen waren oben auf dem Berg.“
Jeff sah verwundert aus. „Aber jemand hat mir gesagt, ich solle weglaufen!“
Jean und George sahen sich etwas beunruhigt an. „Du meinst – du hast dir eingebildet, etwas zu hören?“
„Ach, laß ihn jetzt“, sagte Jean besorgt und etwas zu hastig. Aber George war hartnäckig.
„Ich möchte der Sache auf den Grund gehen. Erzähle mir, was geschehen ist, Jeff.“
„Also ich war unten am Strande, neben dem alten Wrack, als die Stimme sprach.“
„Was sagte sie?“
„Das weiß ich nicht mehr, aber es war so etwas wie: Jeffrey, laufe so schnell du kannst auf den Berg. Du ertrinkst, wenn du hier bleibst.’ Ich weiß genau, daß die Stimme mich Jeffrey nannte, nicht Jeff. Es kann also keiner gewesen sein, den ich kenne.“
„War es eine Männerstimme? Und wo kam sie her?“
„Sie war ganz nahe bei mir, und es klang, als ob ein Mann spräche …“ Jeff zögerte einen Augenblick, und George trieb ihn an.
„Weiter! Stelle dir vor, daß du wieder dort am Strand stehst, und erzähle uns genau, was geschehen ist.“
„Ja, es war nicht ganz so wie irgendeine Stimme, die ich je gehört habe. Ich glaube, es war ein sehr großer Mann.“
„War das alles, was die Stimme gesagt hat?“
„Ja – bis ich den Berg hinaufstieg. Da geschah noch etwas Merkwürdiges. Du kennst den Weg, der an der Klippe hinaufführt?“
„Ja“
„Ich lief dort entlang, weil es der kürzeste Weg ist. Ich wußte, was jetzt geschehen würde, denn ich hatte die große Woge herankommen sehen. Sie machte auch einen furchtbaren Lärm. Und dann sah ich, daß auf dem Pfad ein großer Felsblock lag. Er war vorher nicht dagewesen, und ich konnte nicht daran vorbeikommen.“
„Das Erdbeben wird ihn dorthin geschleudert haben“, sagte George.
„Still! Erzähle weiter, Jeff!“
„Ich wußte nicht, was ich machen sollte, und ich konnte die Woge näher kommen hören. Dann sagte die Stimme: ‚Mach die Augen zu, Jeffrey, und leg deine Hand vor dein Gesicht.’ Das kam mir merkwürdig vor, aber ich versuchte es. Und dann kam eingroßer Blitz – ich konnteihn richtig fühlen! –, und als ich meineAugen öffnete, war der Felsblock verschwunden.“
„Verschwunden?“
„Jawohl. Er war einfach nicht da. Da fing ich wieder an zu rennen, und da habe ich mir die Füße fast verbrannt, weil der Weg schrecklich heiß war. Das Wasser zischte, als es darüberflutete, aber es konnte mich nicht mehr einholen – ich war schon zu hoch auf der Klippe. Und das ist alles. Ich stieg wieder hinunter, als keine Wogen mehr kamen. Da sah ich, daß mein Fahrrad verschwunden war, und der Nachhauseweg war abgeschnitten.“
„Mach dir keine Sorgen um das Fahrrad, Liebling“, sagte Jean und drückte ihren Sohn voll Dankbarkeit an sich. „Wir besorgen dir ein anderes. Das einzige, worauf es ankommt, ist, daß du gerettet bist. Wir wollen uns nicht den Kopf darüber zerbrechen, wie es zugegangen ist.“
Das war natürlich nicht die Wahrheit, denn die Diskussion begann sofort, nachdem sie das Kinderzimmer verlassen hatten. Sie brachte keine Entscheidung, hatte aber zwei Folgen. Am nächsten Tage nahm Jean, ohne George etwas davon zu sagen, ihren kleinen Sohn mit zu dem Kinderpsychologen der
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