Die letzte Generation: Roman (German Edition)
hatten, wie primitive Einbäume erscheinen. Mohan hatte das Gefühl, dass er eine Ewigkeit in den Himmel starrte – während die ganze Welt zusah, wie sich die großen Schiffe in ihrer überwältigenden Majestät herabsenkten.
Er empfand kein Bedauern, als sein Lebenswerk in Bedeutungslosigkeit versank. Er hatte dafür gearbeitet, den Menschen zu den Sternen zu bringen. Und nun waren die Sterne – die unnahbaren, gleichgültigen Sterne – zu ihm gekommen.
Dies war der Moment, in dem die Geschichte den Atem anhielt und sich die Gegenwart von der Vergangenheit löste, wie ein Eisberg, der aus dem Gletscher brach und in einsamem Stolz seine Reise durch das Meer antrat. Alles, was die Menschen in vergangenen Zeitaltern erreicht hatten, zählte plötzlich nicht mehr. Nur ein einziger Gedanke pochte unablässig in Mohans Gehirn:
Die Menschheit war nicht mehr allein.
2
S tormgren, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, stand regungslos vor dem großen Fenster und starrte auf den wimmelnden Verkehr in der 43. Straße hinunter. Er fragte sich bisweilen, ob es gut war, in so großer Höhe über seinen Mitmenschen zu arbeiten. Sich zu distanzieren war in Ordnung, aber daraus konnte leicht Gleichgültigkeit entstehen. Oder versuchte er nur, nachdem er zwanzig Jahre in New York gelebt hatte, eine vernünftige Erklärung für seine noch immer nicht besiegte Abneigung gegen Wolkenkratzer zu finden?
Er hörte die Tür hinter sich aufgehen, wandte aber nicht den Kopf, als Pieter van Ryberg den Raum betrat. Es kam zur unvermeidlichen Pause, während Pieter missbilligend den Thermostat betrachtete. Ständig wurden Witze darüber gerissen, dass der Generalsekretär am liebsten im Eisschrank gelebt hätte. Stormgren wartete, bis sein Stellvertreter zu ihm ans Fenster trat, dann riss er den Blick vom vertrauten, aber immer wieder faszinierenden Panorama los.
»Sie verspäten sich«, sagte er. »Wainwright hätte schon vor fünf Minuten hier sein müssen.«
»Ich habe eben Nachricht von der Polizei bekommen. Er führt eine ganze Prozession mit sich und steckt im Verkehr fest. Sie müssten jeden Augenblick eintreffen.« Van Ryberg hielt inne, dann fügte er unvermittelt hinzu: »Sind Sie noch immer davon überzeugt, dass es eine gute Idee war, ihn zu empfangen?«
»Ich fürchte, jetzt ist es zu spät, es rückgängig zu machen. Schließlich habe ich zugestimmt – obwohl es, wie Sie wissen, ursprünglich gar nicht meine Idee war.« Stormgren war an seinen Schreibtisch getreten und spielte mit seinem berühmten Uran-Briefbeschwerer. Er war nicht nervös, sondern nur unentschlossen. Er war sogar froh, dass Wainwright sich verspätete, denn das würde ihm einen kleinen moralischen Vorteil verschaffen, wenn die Unterredung eröffnet wurde. Solche Nichtigkeiten spielten eine größere Rolle in menschlichen Angelegenheiten, als jemand, der Gewicht auf Logik und Vernunft legte, sich wünschen mochte.
»Da sind sie!«, sagte van Ryberg plötzlich und drückte das Gesicht gegen die Fensterscheibe. »Sie kommen die Avenue entlang, etwa dreitausend Menschen, schätze ich.«
Stormgren nahm sein Notizbuch zur Hand und gesellte sich wieder zu seinem Stellvertreter. Etwa einen Kilometer entfernt bewegte sich eine kleine, aber entschlossene Schar langsam auf das Gebäude des Generalsekretariats zu. Die Menschen trugen Transparente, die in dieser Entfernung nicht zu entziffern waren, aber Stormgren kannte die Aufschriften zur Genüge. Jetzt konnte er über dem Verkehrslärm den Unheil verkündenden Rhythmus singender Stimmen hören. Er spürte, wie ihn plötzlich eine Woge der Abneigung durchströmte. Die Welt hatte doch wirklich genug von marschierenden Pöbelhaufen und erbitterten Schlagworten!
Die Menge war jetzt vor dem Gebäude angelangt. Die Menschen schienen zu wissen, dass er sie beobachtete, denn hier und da wurden eher zögernd Fäuste in die Luft gereckt. Damit wollten sie nicht ihn herausfordern, obwohl sie zweifellos beabsichtigten, dass Stormgren die Geste sah. Wie Zwerge angesichts eines Riesen drohten diese zornigen Fäuste dem Himmel, fünfzig Kilometer über ihren Köpfen, der silbern schimmernden Wolke, die das Flaggschiff der Overlord-Flotte war.
Und sehr wahrscheinlich, so dachte Stormgren, beobachtete Karellen den Vorgang und amüsierte sich prächtig, denn diese Begegnung hätte ohne die Anregung des Verwalters nie stattgefunden.
Es war das erste Mal, dass Stormgren den Führer der Freiheitsliga traf. Er
Weitere Kostenlose Bücher