Die letzte Generation: Roman (German Edition)
Ingenieuren es mit unterschiedlichsten Empfindungen beobachtet haben. Was würden die übrigen Schiffe unternehmen, wenn sie Erfolg hatten? Konnten sie ebenfalls zerstört werden, sodass die Menschheit wieder ihren eigenen Weg gehen durfte? Oder würde Karellen furchtbare Rache an denen nehmen, die ihn angegriffen hatten?
Der Bildschirm wurde plötzlich leer, als sich die Rakete beim Aufprall selbst zerstörte, und das Bild schaltete sofort auf eine viele Kilometer entfernte Kamera um. Im Sekundenbruchteil, der inzwischen verstrichen war, musste sich längst ein Feuerball gebildet haben, der den Himmel mit Sonnenglut erfüllte.
Aber nichts dergleichen geschah. Das große Schiff schwebte unbeschädigt, vom grellen Sonnenlicht umflossen, am Rande des Weltraums. Die Rakete hatte es nicht nur verfehlt, sondern niemand fand jemals heraus, was mit dem Geschoss geschehen war. Überdies unternahm Karellen nichts gegen die Verantwortlichen und machte nicht einmal eine Andeutung, dass er etwas von diesem Angriff wusste. Er beachtete sie nicht weiter und überließ sie ihrer Angst vor einer Rache, die niemals kam. Das war eine wirksamere und niederschmetterndere Behandlung als irgendeine Form der aktiven Bestrafung. Die verantwortliche Regierung brach unter gegenseitigen Anschuldigungen wenige Wochen später zusammen.
Gegen die Politik der Overlords hatte es auch einigen passiven Widerstand gegeben. Gewöhnlich hatte Karellen sich damit begnügt, die Beteiligten ihre eigenen Wege gehen zu lassen, bis sie feststellten, dass sie sich durch Verweigerung der Kooperation nur selbst schadeten. Nur einmal hatte er unmittelbare Schritte gegen eine widerspenstige Regierung unternommen.
Seit mehr als hundert Jahren war die Republik Südafrika der Mittelpunkt von Rassenkämpfen gewesen. Menschen guten Willens auf beiden Seiten hatten eine Brücke zu bauen versucht, aber vergeblich – Furcht und Vorurteile waren zu tief verwurzelt, um eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. Wechselnde Regierungen hatten sich nur durch den Grad ihrer Unduldsamkeit unterschieden. Das Land war durch den Hass und die Saat der Bürgerkriege vergiftet.
Als sich zeigte, dass nichts zur Beseitigung der Rassenvorurteile unternommen wurde, gab Karellen eine Warnung aus. Darin wurde nur Datum und Stunde genannt, nichts weiter. Man sorgte sich, aber es gab kaum Furcht oder Panik, denn niemand glaubte, dass die Overlords eine gewaltsame oder zerstörerische Maßnahme ergreifen würden, die Unschuldige und Schuldige gleichermaßen getroffen hätte.
Das geschah auch nicht. Nur dass die Sonne, als sie den Meridian von Kapstadt überschritt, erlosch. Es blieb nur ein blassvioletter Himmelskörper übrig, der weder Wärme noch Licht spendete. Irgendwie war im Weltraum das Sonnenlicht durch zwei gekreuzte Felder polarisiert worden, sodass keine Strahlung mehr hindurchging. Das betroffene Gebiet durchmaß fünfhundert Kilometer und war völlig kreisrund.
Diese Demonstration dauerte dreißig Minuten an. Das genügte. Am nächsten Tag kündigte die südafrikanische Regierung an, dass der weißen Minderheit die vollen Bürgerrechte zurückgegeben würden.
Abgesehen von solchen vereinzelten Zwischenfällen nahm die Menschheit die Overlords als Teil der natürlichen Ordnung der Dinge hin. In überraschend kurzer Zeit hatte sich die anfängliche Bestürzung gelegt, und die Welt wandte sich wieder ihren Geschäften zu. Nur eine stumme Erwartung blieb zurück, gleichsam ein Sich-überdie-Schulter-Umschauen, während die Menschheit darauf hoffte, dass die Overlords sich zeigen und aus ihren schimmernden Schiffen steigen würden.
Fünf Jahre später wartete man noch immer. Das, dachte Stormgren, war die Ursache aller Schwierigkeiten.
Der übliche Kreis von Schaulustigen stand mit gezückten Kameras bereit, als Stormgrens Auto auf den Flugplatz fuhr. Der Generalsekretär tauschte ein paar abschließende Worte mit seinem Assistenten, ergriff seine Aktentasche und ging durch die Reihen der Zuschauer.
Karellen ließ ihn nie lange warten. Man hörte ein plötzliches »Oh!« aus der Menge, und eine silberne Kugel vergrößerte sich mit atemberaubender Schnelligkeit am Himmel. Der Luftzug zerrte an Stormgrens Kleidung, als das kleine Schiff in fünfzig Metern Entfernung anhielt, wenige Zentimeter über dem Boden schwebend, als fürchte es eine Beschmutzung durch die Erde. Während Stormgren sich langsam vorwärts bewegte, sah er, wie die scheinbar nahtlose Metallhülle sich
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