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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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langsam aus
der Tasche.
    Die niedrigstehende
Wintersonne war ein Stück weitergewandert und warf jetzt ein
hart ausgeschnittenes Rechteck hellen Sonnenlichts in den Raum.
Stand man - wie Tron -im Schatten, dann tanzten unzählige
glitzernde Staubteilchen in der Luft. Tron verließ den
Schatten, indem er einen Schritt nach links trat, und hob das Glas
auf Brusthöhe. Die Wintersonne traf das Glas von der Seite und
füllte es plötzlich mit Licht. Das Glas schien zu
schimmern - so wie Zanetto Tron es in seinem Tagebuch beschrieben
hatte und wie er, Alvise Tron, es selber in der Casa dei Tuffi gesehen hatte. Das war
ein hübscher Effekt, wunderbar geeignet, um einer
anspruchsvollen weiblichen Kundschaft bei Kerzenlicht ein gehobenes
Badeerlebnis zu verschaffen - aber offenbar auch geeignet, Lodron
den Rest seines Verstandes zu rauben. Tron sah, wie sich Lodrons
Augen weit öffneten, seine Kinnlade herunterklappte und er
anfing zu hecheln. Zweimal versuchte Lodron, etwas zu sagen,
brachte aber nur unartikulierte Laute zustande, die sich wie ARRGGHH anhörten. 
    «Stellen Sie den
Gral auf den Tisch», brachte Lodron schließlich hervor.
Seine Stimme klang heiser und krächzend. Die weit
aufgerissenen Augen waren auf das Glas gerichtet. Trotz der
niedrigen Temperatur im Raum hatten sich Schweißtropfen auf
Lodrons Stirn gebildet. Seine Mundwinkel zuckten hektisch, der Lauf
des Revolvers hüpfte auf und nieder. Tron konnte sehen, dass
Lodron den Sicherungshebel zwischen dem Kolben und der Trommel
umgelegt hatte. «Stellen Sie den Gral auf den Tisch»,
wiederholte Lodron krächzend.
    Doch anstatt das Glas
auf den Tisch zu stellen, warf Tron es in einem leichten Bogen in
Richtung Lodrons Kopf. Er warf es nicht schnell und hart, sondern
langsam, so wie man Kindern einen Ball zuwirft, damit sie ihn
auffangen können. Lodron ließ den Revolver los, streckte
beide Hände nach dem Glas aus, und Tron sah die Waffe auf den
Tisch fallen, in einem Tempo, das ihm langsam vorkam, so wunderbar
scharf waren die einzelnen Details: der Revolver, der mit dem
Kolben nach unten auf den Tisch herabstürzte und polternd
neben einer der Perlenschachteln landete, Lodrons Hände, die
das Glas auffingen, schließlich seine eigene rechte Hand, die
den Revolver ergriff und den Hahn spannte.
    Tron trat einen
Schritt zurück. Er hatte den Finger am Abzug, und der Lauf der
Waffe zielte auf Lodrons Kopf. «Stellen Sie das Glas auf den
Tisch», sagte er mit einer Stimme, die so ruhig und gelassen
klang, dass er sich selber dafür bewunderte.
    Tron hatte nicht die
geringste Ahnung, was er tun würde, nachdem Lodron das Glas
auf den Tisch gestellt hatte. Sollte er ihn mit vorgehaltener Waffe
nach Chiesea Nuova dirigieren, um ihn dort einer
Militärpatrouille zu übergeben? Einen Wiener Hofrat, der
mit kaiserlichen Sondervollmachten unterwegs war, die Lodron
vermutlich sofort aus der Tasche ziehen würde? Nein - das war
undenkbar. Oder sollte er ihn fesseln, hier liegen lassen und
später mit ein paar Sergenti aus der venezianischen Questura
zurückkommen?
    Aber Lodron stellte
das Glas ebenso wenig auf den Tisch wie Tron. Er hatte es in
Brusthöhe aufgefangen und hielt es immer noch mit beiden
Händen umfasst. Jetzt zog er das Glas, ohne ein Wort zu sagen,
langsam an seinen Körper, wobei er Tron aufmerksam
betrachtete. Tron hatte einen Ausdruck von Wut und
Enttäuschung auf Lodrons Gesicht erwartet, doch
merkwürdigerweise sah er weder das eine noch das andere. Der
Verrückte, der ihn eben noch mit heiserer Stimme aufgefordert
hatte, das Glas auf den Tisch zu stellen, war plötzlich
verschwunden. Lodron, so wie er jetzt auf der anderen Seite des
Tisches stand, besaß wache, konzentrierte Augen, und Tron
musste daran denken, dass er es nicht nur mit einem Verrückten
zu tun hatte, sondern auch mit einem Mann, dem es gelungen war,
drei kaltblütige, raffinierte Morde zu begehen. Dann sah Tron,
wie sich Lodrons rechte Hand vom Glas löste, sich hinter dem
Glas in den geöffneten Mantel schob und plötzlich etwas
Metallisches umfasst hielt.
    Tron zog den Abzug
durch. Der Revolver in seiner Hand bäumte sich auf, und das
Glas, das Lodron immer noch in seiner linken Hand gehalten hatte,
zersplitterte funkelnd nach allen Seiten. Lodrons Armeerevolver war
viel lauter als die Derringer, die er eben aus dem Mantel gezogen
hatte, und die Detonation schien das ganze Haus zu
erschüttern. Lodrons Oberkörper wurde ruckartig nach
hinten geworfen, sein Kopf schlug hart

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