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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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fiel ihm ein, dass es ein Dandolo gewesen war,
der das Danieli-Hotel ursprünglich gebaut hatte. Im Laufe der
Jahrhunderte hatte der ehemalige Palazzo Dandolo einer ganzen Reihe
von noblen venezianischen Familien gehört, den Gritti, den
Mocenigo, den Michiel und den Bernardo, bis er dann in Trons
Kindheit zu einem Hotel umgewandelt worden war. Seit mehr als einer
Generation galt es als das erste Haus am Platz, nicht zuletzt
deshalb, weil die Mitglieder der kaiserlichen Familie dort lieber
logierten als im unkomfortablen Palazzo Reale.
    Im zweiten Stock
öffnete ein Dienstmädchen die Tür von Spaurs
ehemaliger Suite und bat ihn, einen Augenblick Geduld zu haben, der
Hofrat sei noch in seinem Arbeitszimmer beschäftigt.
Während er wartete, sah Tron, dass sich im ehemaligen Salon
Spaurs nichts geändert hatte. Spaurs Sessel standen noch an
ihrem alten Platz, über dem Kamin hing immer noch das Bild des
Kaisers, und hinter den Fenstern war immer noch die prächtige
Aussicht auf das Becken von San Marco zu bewundern. Neu war
lediglich ein brauner Flügel, der so platziert war, dass man
beim Spielen den Kopf nur ein wenig drehen musste, um den Bacino di
San Marco und die Isola di San Giorgio zu sehen. Der Deckel war
aufgeklappt, auf dem Notenständer standen Noten. Spielte der
Hofrat Klavier? Und was spielte man bei diesem Ausblick? Mozart?
Wagner?
    Tron trat neben den
runden Schemel, der vor dem Flügel stand, und beugte sich
neugierig zu den Noten herab. Sage mir, welche Musik du
spielst, und ich sage dir, wer du bist. Aha, Tristan also - ein Klavierauszug, offenbar
stark benutzt und mit Bleistiftmarkierungen
vollgekritzelt.
    Er nahm auf dem
Klavierschemel Platz und spielte die ersten Takte - oder wollte sie spielen, denn
bereits im zweiten Takt stockte er. Der Akkord, an dem er
hängenblieb, klang dissonant. Dissonanzen gab es in jeder
Musik, ihr Sinn war, den Zuhörern ein angenehmes Gefühl
bei ihrer Auflösung zu verschaffen. Aber hier war keine
Richtung erkennbar, in die der Akkord sich auflösen
könnte. Außerdem empfand man ein bizarres Wohlempfinden
beim Anhören des Akkordes selbst. Tron schlug den Akkord zum
dritten Mal an und dann ein viertes Mal. Als er ihn zum
fünften Mal anschlagen wollte, hörte er, wie sich hinter
ihm die Tür öffnete. Tron sprang auf.
    Hofrat Lodron war ein
Mann Mitte fünfzig, schlank, dabei von kräftiger Statur,
mit noch vollem, leicht meliertem Haar, das strähnig in die
Schläfen gebürstet war. Er trug einen braunen Gehrock,
darunter eine altmodische Pikeeweste, dazu ein ebenso altmodisch
wirkendes gekreuztes Halstuch. Ein kräftiger Duft nach Eau de
Cologne ging von ihm aus.
    «Sie
rätseln über diesen Akkord?» Lodron sah Tron
amüsiert an.»
    «Ich bin etwas
verwirrt», gab Tron zu. Diese Begegnung verlief anders, als
er sie sich vorgestellt hatte.
    Der Hofrat lachte.
«Das ist der berühmte Tristan-Akkord, Commissario. Kein
Wunder, dass er sie beschäftigt.»
    «Der
was?»
    «Eine
Doppeldominante H-Dur in einer a-Moll-Kadenz mit tief alteriertem
Quintton im Bass. Oder Sie deuten den Akkord als gis-Moll. Dann
müssten Sie jedes F enharmonisch zu Eis umdeuten», sagte
der Mann, der gestern Nacht auf Flyte geschossen hatte. Oder auch
nicht auf Flyte geschossen hatte.
    «Man weiß
nicht so recht», fuhr Lodron lächelnd fort, als er Trons
verblüfften Gesichtsausdruck bemerkte, «womit man es zu
tun hat.»    
    «Sie sind
Musiker?»
    «Nur
Musikliebhaber», sagte Lodron bescheiden. Er sah Tron
neugierig an. «Sie mögen Wagner?»
    Tron lächelte.
«Wir hatten das Vergnügen, ihn anno sechsundfünfzig
auf allerhöchsten Befehl zu überwachen. Er hat im Palazzo
Giustiniani residiert.»
    «Ich
weiß», sagte Lodron. «Damals schrieb er am Tristan. Gehen Sie morgen zur
Premiere?»
    «Ich denke
schon.»
    «Dann werden Sie
viele Offiziere im Parkett sehen», sagte Lodron. «Der
Vizekönig hat im ganzen Veneto Karten verteilen lassen. Er
glaubt, dass diese Oper die Moral der Truppe stärkt. Was die
Truppe auch nötig hat.» Lodron lachte laut. Dann wurde
er ernst. «Aber Sie sind doch nicht gekommen, um mit mir
über die morgige Premiere zu
sprechen.»      
    «Der Baron
richtete mir aus, Sie hätten den Wunsch, mich zu sehen»,
sagte Tron.
    Lodron nickte.
«Zumal ich Ihnen eine Erklärung schuldig bin. Sie haben
sich wahrscheinlich gefragt, warum ich Petrellis Akte aus dem
Archiv entfernt habe.»
    «Allerdings», sagte
Tron.
    «Dann will ich
Ihnen eine Erklärung

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