Die letzte Nacht der Unschuld
eingebildet.“ Himmel, hörte sie sich wirklich so maßlos begehrlich an? Sie lachte unsicher auf. „Oder dass alles nur ein Traum war.“
„Soll ich dir bestätigen, wie real es war?“ Er fasste sie um die Taille, murmelte in ihr Haar hinein und jagte damit prickelnde Schauer über ihre Haut. „Welchen Teil zuerst? Den im Pool? Oder die Episode im Schlafzimmer? Dann war da ja heute Morgen auch noch der Küchenboden …“
„Schh!“ Leise lachend klammerte sie sich an seinen Rennoverall, barg das Gesicht an seiner Brust. „Wenn uns jemand hört …“
„Wäre das schlimm?“
Ihr Lachen erstarb. „Es ist nicht mein üblicher Stil.“ Das musste die Untertreibung des Jahres sein. „Wir haben uns gestern zum ersten Mal getroffen. Für ein Interview.“
„Kaum zu glauben, dass ich Interviews immer verabscheut habe!“, meinte er amüsiert. „Hätte ich vorher gewusst, dass sie so viel Spaß machen, hätte ich öfter welche gegeben.“
Colleen runzelte die Stirn. „Ich kenne dich kaum.“
Mit Daumen und Zeigefinger hob er ihr Kinn an, damit sie ihm in die Augen blicken konnte. In Augen, die die Farbe von Bitterschokolade hatten. Berühmte Augen, die jeder aus Fernsehen und Zeitungen kannte und die Colleen früher vom Poster an der Zimmerwand ihres jüngeren Bruders herab angeschaut hatten …
„Nach der letzten Nacht kennst du mich besser als jeder andere.“
Er sagte es mit leichter Ironie, doch sein Gesicht mit den markanten Zügen und dem fein geschwungenen Mund wirkte plötzlich seltsam ausdruckslos. „ Gesù , Colleen, noch nie habe ich … habe ich meine Seele so bloßgelegt.“
„Ich auch nicht.“ Es war nur ein Flüstern.
Noch einmal erlebte Colleen die letzten zwölf Stunden in Gedanken. Zwölf außergewöhnliche Stunden. Sicher, da war der Sex … und er war magisch gewesen. Aber sie hatten auch viel geredet. Ihr Herz zog sich zusammen, als sie daran dachte, wie er in ihren Armen gelegen und mit tonloser Stimme von seiner Vergangenheit erzählt hatte. Von den Problemen während seiner Schulzeit, weshalb er später auch so unbedingt und unter allen Umständen nach Erfolg gestrebt hatte.
Sie hatte herausgefunden, dass die schillernde Fassade und die Gefahr seines Berufs ihm absolut nichts bedeuteten. Ein Leben, das man in Angst lebe, sei kein Leben, hatte er gesagt, und sie hatte es auf seine früheren Erfahrungen zurückgeführt. Und dann hatte er ihr gezeigt, wie man für den Moment lebte und ihn voll auskostete …
Der Geräuschpegel draußen auf dem Ring schwoll an.
„Ich muss gehen.“
Colleen nickte und trat einen Schritt zurück. Sie wollte nicht wirken, als würde sie klammern. „Ich weiß. Aber … Cristiano? Denke daran, du brauchst nichts zu beweisen.“ Sie lächelte. „Fahr vorsichtig.“
Für einen Sekundenbruchteil flackerte Schmerz in seinen Augen auf, dann war er wieder verschwunden.
Cristiano zog sich die Handschuhe über und schenkte Colleen dieses Lächeln, das ihren Magen zum Flattern brachte. „ Tesoro , das hier ist der Große Preis von Monaco. ‚Vorsichtig fahren‘ gehört da nicht unbedingt zum Grundkonzept.“
Sie lachte, um die aufsteigende Angst zu kontrollieren. „Akzeptiert.“ Nein, sie würde diese Person nie wieder sein. Er hatte ihr gezeigt, wie man für den Moment lebte, anstatt sich an Ängste zu klammern. Dennoch kostete es sie enorme Anstrengung, ihm nachzusehen und weiterhin ein strahlendes Lächeln aufzusetzen. Er sollte nicht wissen, welche Angst sie um ihn hatte.
Im hellen Licht des Ausgangs blieb er stehen und drehte sich noch einmal zu ihr um. „Es ist nicht vorbei. Letzte Nacht war erst der Anfang.“ Er lächelte kurz. „Warte auf mich.“
Das Klicken des einschnappenden Visiers war das Signal für Cristiano, die Außenwelt auszuschließen. Mit diesem Laut existierte für ihn nichts anderes mehr als die Strecke, das Auto, das Rennen.
Der Stadtkurs von Monaco war lächerlich eng, machte Überholen nahezu unmöglich. Die Zuschauer waren der Strecke so nah, dass man meinte, sie berühren zu können.
Die ersten Runden hatte er bereits hinter sich. Waren es vier oder fünf? Er hatte eine gute halbe Sekunde Vorsprung. An der Haarnadelkurve zum Grand Hotel schaltete er in einen niedrigeren Gang. Silvio hatte gute Arbeit geleistet, der Wagen ließ sich großartig fahren. Die Wetterbedingungen waren ideal. Dieses Rennen gehörte ihm … Ein weiterer Sieg, den er seiner beeindruckenden Sammlung von Siegen hinzufügen würde.
Du
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