Die letzte Schoepfung
bin. Dachte mir, ich schau mal nach, was los ist.«
»Mrs. Jennings hat die Polizei gerufen«, sagte ein Teenager vor ihnen über die Schulter. »Die wohnt im Nachbarhaus.« Er nickte zur Veranda hin. »Hat wohl die Leiche gefunden.«
»Wer wohnt denn hier?«, fragte Sydney. Sie war überrascht, dass sie überhaupt ein Wort herausbrachte, sogar eine zusammenhängende Frage stellen konnte.
»Dr. Mulligan. Ein Physikprofessor.«
»Ach ja.« Ethan übernahm jetzt wieder. »Ich erinnere mich, ihn mal vor ein paar Monaten getroffen zu haben. Ich hoffe, da drinnen ist keinem was passiert…«
Er verstummte, als zwei Sanitäter mit einer Bahre aus dem Haus kamen. Der Körper war mit einem weißen Tuch bedeckt.
Sydney hätte nicht gedacht, dass sie noch mehr frieren könnte. Zum Glück legte Ethan ihr den Arm um die Schultern, zog sie an sich und führte sie ein paar Schritte von den Leuten weg.
»Ist er…?« Sydney brachte es nicht über sich, hinzuschauen.
»Es ist ein Erwachsener, Sydney.«
»Gott sei Dank.« Kein Kind. Kaum hatte sie die Worte gesagt, stiegen Schuldgefühle in ihr auf. Wie konnte sie dankbar sein, dass ein erwachsener Mann gestorben war?
»Ist schon in Ordnung.« Wieder hatte Ethan ihre Gedanken gelesen. Dann erstarrte er. »Der Mistkerl!«
Sydney folgte seinem Blick zu einem Mann, der in diesem Augenblick auf die Veranda trat. Er war groß und in einen teuren Mantel gehüllt. Sonst fiel Sydney nichts Besonderes an ihm auf, nur dass er einen dunklen Teint hatte.
»Wer ist das?« Sie brachte die Frage kaum heraus, da sie die Antwort schon fürchtete.
»Ramirez.«
22.
Ethan durchlief es eiskalt.
Ramirez stieg die Treppe von Mulligans Haus hinunter. Ethan spürte, wie Hass und Rachedurst erneut in ihm aufflammten. Nur, dass er sich jetzt nicht leisten konnte, einem dieser Gefühle nachzugeben.
»Ethan?«
Er hielt den Blick auf Ramirez gerichtet. »Geh zurück zum Wagen, Sydney.«
»Nein.«
»Tu es.« Er sprach leise, doch mit unüberhörbarer Härte. Es war die Stimme eines Mannes, der den Mörder seines Sohnes im Visier hatte.
»Die Kinder!«
Er sah sie auch, halb versteckt hinter einer fast zwei Meter hohen Hecke auf der anderen Straßenseite. »Ich hol sie.«
Ethan drückte sich um den letzten der Schaulustigen herum, wobei er den Killer stets im Auge behielt. Dann verschwand er hinter dem Rettungswagen. Er zog seine Glock, entsicherte sie und hielt die Waffe gegen sein Bein gedrückt, während er Ramirez durch die Windschutzscheibe im Auge behielt.
Der Killer erreichte den Bürgersteig und wandte sich vorsichtig Danny und Callie zu, obwohl kein zufälliger Beobachter ihn gesehen oder einen Gedanken an den gut gekleideten Mann verschwendet hätte, der den Schauplatz des Geschehens verließ. Ethan wartete, bis Ramirez in der Dunkelheit der nächsten Einfahrt verschwand, bevor er seine Deckung hinter dem Rettungswagen verließ.
Zum Glück schien Ramirez' Aufmerksamkeit völlig von den Kindern in Anspruch genommen zu sein, sonst hätte er Ethan vielleicht gesehen, der zwischen geparkten Autos hindurch am Rand des Rasens entlangschlich. Wie ein Schatten näherte er sich dem Killer von hinten und drückte ihm die Glock in den Rücken.
Ramirez erstarrte.
»Du lässt nach«, meinte Ethan. Nur zu deutlich spürte er die Waffe in seiner Hand, spürte den heißen Wunsch zu töten – aber er wusste, dass er sich zurückhalten musste. »Wenn du einem Feind erlaubst, dich von hinten zu überraschen.«
»Aber du«, hielt Ramirez dagegen, »bist ja nicht irgendein Feind, amigo. Nicht wahr?«
Ethan packte die Glock fester. »Auch nicht dein Freund.«
»Aber früher…«
»Lass uns ein Stück gehen.«
Ramirez legte den Kopf zur Seite, als müsse er erst darüber nachdenken. »Ich glaube nicht«, sagte er dann. »Vor den Augen der niños wirst du mich nicht umbringen.« Die Kinder standen nur ein Dutzend Schritte entfernt und verfolgten die Szene mit erschrockenen Blicken. »Aber wenn ich jetzt mit dir gehe«, fuhr er fort, »wer weiß, was dann geschieht?«
»Halt!« Sydney drängte sich an ihnen vorbei und riss Callie in ihre Arme. Dann wandte sie sich dem Jungen zu, zog ihre Jacke aus und hängte sie ihm über die Schultern.
»Tss, tss«, machte Ramirez. »Was für eine hübsche Frau. Wäre doch furchtbar, wenn sie auch zusehen müsste. Ich hab so das Gefühl, dann wüsste sie nicht mehr, was für einen Mann sie geheiratet hat.«
»Wenn sie die Wahrheit wüsste, würde sie selbst
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