Die letzte Schoepfung
Detective klang zornig, was Marco sehr gut passte. Er wollte, dass der Mann ihn als Stümper einstufte.
Marco stand auf und sah sich in der Küche um. »Keine Anzeichen eines Kampfes. Wie ist der Eindringling hereingekommen?«
Der Detective nickte zur Leiche hin. »Er hat ihm die Tür aufgemacht.«
»Hört sich an, als hätten sie sich gekannt.«
Der Detective verdrehte die Augen und verließ die Küche, vermutlich um sich mit einem der Cops zu besprechen.
Marco tat so, als würde er sich weiterhin gründlich umsehen. Als er merkte, dass der Detective das Interesse an ihm verloren hatte, schaute er sich den Rest des Hauses an.
Eine kleine Diele, von der eine Treppe in den ersten Stock führte, verengte sich zu einem Korridor, an dessen Ende die Küche lag. Rechts von der Diele befanden sich Wohn- und Esszimmer, gegenüber war ein Büro voller Aktenordner. Wenn Antworten zu finden waren, dann dort.
Marco trat ein und ließ die Tür halb offen, da er bestimmt nur ein paar Minuten Zeit hatte, bevor die Polizisten mit der Leiche fertig waren und sich dem Büro zuwandten. Er schaltete den Computer ein. Während er darauf wartete, dass er hochfuhr, schaute er in die Schreibtischschubladen. Sie bestätigten seinen ersten Eindruck von einem Mann, der geradezu peinlich ordentlich gewesen war. In der obersten Schublade bewahrte er säuberlich geordnet Bleistifte und Kugelschreiber auf; Arbeitsmaterialien – Papier, Gummiband, Briefmarken – fanden sich in den Schubladen links, sorgsam abgeheftete Akten in der tiefen Schublade rechts.
Dr. Timothy Mulligan war kein zerstreuter Professor gewesen.
Ein rascher Überblick über die Akten enthüllte Marco ein wohl durchdachtes Ablagesystem, in dem jede Rechnung und Steuererklärung ihren Platz hatte. Doch zwei wichtige Dinge fehlten: Erstens gab es keinerlei Belege über Mulligans Tätigkeit an der Uni, keine Beurteilungen von Studenten, keine benoteten Arbeiten oder Entwürfe. Zweitens fiel Marco auf, dass es keine rechtsgültigen Dokumente gab, oder sonstige wichtige Papiere.
Wo bewahrte der Mann zum Beispiel seine Hypotheken- und Versicherungsunterlagen auf? Was war mit einem Testament oder einem Kaufvertrag für ein Auto? Ein Mensch, der so ordentlich war wie Mulligan, pflegte alle wichtigen Papiere an einem Ort aufzubewahren. Dann hätte Marco etwas finden können, das ihm vielleicht die Verbindung des Professors zu Decker oder den niños enthüllt hätte.
Er kümmerte sich nicht mehr um den Computer, sondern durchwühlte die Schubladen und fand schließlich zwei identische Schlüssel an einem kleinen Ring. Zuerst glaubte er, dass sie zum Schreibtisch gehörten, doch dort passten sie nicht. Und für einen Banksafe waren die Schlüssel zu klein und zu schmal. Marco runzelte die Stirn. Die Schlüssel konnten zu allem und jedem gehören. Das aber passte überhaupt nicht zu dem Bild, das er sich von Timothy Mulligan gemacht hatte. Der Professor war ein überaus pedantischer Mensch gewesen, der bestimmt keine Schlüssel in seinem Schreibtisch aufbewahrte, wenn sie nicht irgendeinem Zweck dienten.
Marco ließ den Blick suchend durchs Zimmer schweifen.
Die Einbauschränke hatten keine Schlösser, und er fand auch nichts Interessantes darin. Terrassentüren führten auf die Veranda, aber dort brauchte er es mit den Schlüsseln gar nicht erst zu versuchen. Als Nächstes untersuchte er einen Wandschrank, der wie der Schreibtisch säuberlich aufgeräumt war. Gleichmäßige Borde vom Boden bis zur Decke.
Er fand es schließlich auf dem Fußboden.
Mulligan hatte seine Papiere vielleicht gar nicht verstecken wollen, er war nur vorsichtig gewesen. Die Kiste war aus Metall und groß genug, um Dokumente darin aufzubewahren – einer jener Mini-Safes, die man in jeder Eisenwarenhandlung erwerben konnte und die dazu dienten, Papiere vor Feuer zu schützen.
Marco grinste zufrieden. Er hatte Mulligan doch richtig eingeschätzt!
Er kniete nieder, probierte es mit einem der schmalen Schlüssel. Er passte. In der Kiste fand Marco all jene Papiere, die er in Mulligans Schreibtisch zu finden gehofft hatte: Hypotheken- und Kreditverträge, den Kaufvertrag für den Wagen, den Anstellungsvertrag der Universität und ganz unten einen Umschlag ohne Aufschrift. Als er die Hand danach ausstreckte, hörte er Stimmen, die sich dem Zimmer näherten.
Rasch steckte Marco den Umschlag in seine Jacke und klappte die Kiste zu. Er schloss sie ab, nahm sie auf den Arm und blieb so stehen, bis die
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