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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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stattdessen fröstelnd die Schultern. »Es ist kalt. Bist du bald fertig mit deiner Zigarette? Ich möchte wieder ins Haus gehen.«
    »Du bist viel zu dünn angezogen. An einen richtigen Winter erinnerst du dich wohl kaum mehr da unten in Gibraltar.«
    »Ich erinnere mich, doch. Und ich vermisse ihn.« Sie starrte in den traurigen Garten. »Das ist der letzte oder vorletzte Schnee in diesem Jahr. Irgendwann in den nächsten Wochen bricht der Frühling mit aller Macht aus. Du glaubst nicht, wie mir das fehlt. Dieser klare Wechsel der Jahreszeiten. Ich glaube, den Frühling in England kann man mit nichts auf der Welt vergleichen.«
    Cedric warf seine Zigarette in den Schneematsch zu seinen Füßen. »Na ja, wenn ich das richtig verstanden habe, bleibst du ja nun eine Weile hier. Wegen dieser Zeitungsgeschichte.«
    »Wenn ich das mache. Mal sehen, wie das Gespräch mit Nick morgen verläuft.«
    »Ach komm! Du machst es, ganz gleich, wie das Gespräch verläuft! Glaubst du, man merkt dir nicht an, wie sehr du dich danach sehnst, wieder eine richtige Aufgabe zu haben? Mir ist das schon bei Mummys Beerdigung aufgefallen. Du wirkst total frustriert!«
    »Bei Mummys Beerdigung habe ich traurig gewirkt und war es auch, und das hing nicht mit einer fehlenden Aufgabe zusammen.«
    »Klar warst du traurig. Aber da war schon etwas in deinem Gesicht, das hatte nichts mit dem Tod unserer Mutter zu tun. Da waren Linien, die hatten sich über einen längeren Zeitraum eingegraben. Du bist nicht gerade glücklich mit deinem Dennis in Gibraltar, liebste Schwester, und das sieht man dir an.«
    »Aber du bist richtig glücklich in New York, oder wie?«
    »Habe ich ja gar nicht behauptet. Aber du hast damals so getan, als sei Dennis der tollste Mann, den die Welt je gesehen hat, und Gibraltar der einzige Ort, an dem es sich leben lässt. Man konnte es ja schon bald nicht mehr hören. Und irgendwie scheint sich da manches verändert zu haben in den letzten fünf Jahren.«
    »Immerhin sind es fünf Jahre«, entgegnete Rosanna spitz, »und so lange hat meines Wissens noch keine einzige deiner Beziehungen auch nur annähernd je gedauert. Dass bei Dennis und mir der Lack ein bisschen ab ist, ist wohl normal. Trotzdem gehören wir zusammen.«
    Cedric wollte etwas erwidern, und nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, wäre es eine nicht eben freundliche Bemerkung gewesen, aber gerade da ging hinter ihnen ein Fenster auf, und Victor, ihr Vater, lehnte sich heraus.
    »Rosanna! Cedric! Kommt ihr? Das Essen ist fertig!«
    Cedric schluckte hinunter, was er hatte sagen wollen, und folgte seiner Schwester ins Haus. Von der Terrasse trat man sofort ins Esszimmer, wo Victor bereits den Tisch gedeckt hatte. Hazels gutes Porzellan. Rosanna hatte angeboten, das Lieblingsessen ihres Vaters zu kochen, aber Victor hatte darauf bestanden, das der Kinder zuzubereiten: Irish Stew nach Hazels Rezept.
    »Das hätte eure Mutter heute auch gekocht, wenn sie euch beide nach so langer Zeit wieder einmal dagehabt hätte. Sie wäre so glücklich gewesen!«
    Rosanna betrachtete ihren Vater, während er das Essen auftrug und eine Flasche Wein entkorkte. Weder sein freundliches Lächeln noch seine warme, anteilnehmende Art hatte er durch den Tod seiner Frau verloren, obwohl er damals wochenlang unter Schock gestanden hatte. Hazel war an jenem Samstag Ende November noch mit ihm morgens beim Einkaufen auf dem Markt gewesen und hatte nachmittags bereits mit der Weihnachtsbäckerei beginnen wollen. Aber dann war ihr plötzlich übel geworden, sie hatte über Sehstörungen geklagt und kaum noch geradeaus gehen können. Der herbeigerufene Arzt hatte einen leichten Schlaganfall diagnostiziert und sofort einen Krankenwagen gerufen. Noch im Auto hatte Hazel einen zweiten Schlaganfall erlitten und war innerhalb weniger Minuten gestorben. Rosanna war am späten Abend aus Gibraltar eingetroffen und hatte ihren Vater in der Küche vorgefunden, wo er völlig verwirrt damit beschäftigt war, Weihnachtsplätzchen zu backen.
    »Sie hatte ja den Teig noch angerührt«, sagte er immer wieder.
    Inzwischen funktionierte Victor wieder völlig normal, aber die Einsamkeit umgab ihn wie ein dichter, schwerer Mantel, dessen Gewicht ihn ganz langsam, fast unmerklich zu Boden zu ziehen schien.
    Als sie sich jetzt alle an den Tisch setzten und hinaus in den grauen Tag blickten, dachte Rosanna, wie so ein Sonntag allein in diesem Haus für ihren Vater aussehen mochte. Die Stille des Schnees und das

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