Die Letzte Spur
rücksichtslos.«
»Ich dachte, du …«
»Ich mag Robert. Ich ersetze ihm auch gern die Mutter. Aber nicht den Vater. Und ich kann nicht festgekettet an dieses Haus leben, nur weil zwischen euch beiden Krieg ausbricht, wenn ich mal eine Woche weg bin. Ich werde verrückt darüber. Es muss in meinem Leben noch andere Aufgaben geben als die einer Vermittlerin zwischen euch beiden!«
»Du reißt dich doch förmlich darum. Wenn ich Robert nur sagen will, er soll seine Musik leiser drehen, hältst du mich schon davon ab. Weil du die bessere Art hast, ihm eine so ungeheuerliche Bitte vorzutragen.«
»Ich bin sicher nicht unschuldig an der Entwicklung. Ich hänge mich zu sehr rein, ja. Trotzdem ist es nicht gut. Und ein Grund mehr, für eine Weile einfach mal weg zu sein.«
»Für eine Weile, aha. Für dich steht also längst fest, dass du diese Serie machen wirst. Dieses informative Mittagessen, von dem angeblich deine Entscheidung abhängt, ist doch nur eine Farce!«
»Woher willst du das wissen? Ich weiß zum Beispiel noch gar nicht, wie die Bezahlung aussieht.«
»Oh – da wird Mr. Simon sich bestimmt nicht lumpen lassen. Du warst schließlich mal ein ganz gutes Pferd in seinem Stall. Sicher freut er sich, dich zurückzugewinnen.«
»Sonst hätte er mich wahrscheinlich auch nicht gefragt«, sagte Rosanna wütend. Sie wusste, dass es im Grunde keinen Sinn mehr machte, das Gespräch fortzusetzen. Dennis war schlecht gelaunt und verärgert, sie selbst sah sich in die Position gedrängt, sich rechtfertigen zu müssen, und wollte damit nicht fortfahren. Sie fühlte sich im Recht, wusste aber, dass es zwecklos war, Dennis auch nur zum Nachdenken über eine mögliche andere Sicht der Dinge bewegen zu wollen.
Trotzdem fügte sie hinzu: »Ich muss sowieso abwarten, was ich empfinde, wenn ich erst wieder in Kingston St. Mary bin. In Elaines Umfeld. Kann sein, die ganze Sache belastet mich so, dass ich mich gar nicht in der Lage fühle, dieser Geschichte noch einmal nachzugehen.«
»Dann habe ich ja direkt noch Hoffnung«, bemerkte Dennis zynisch. Er ging erneut zum Schrank, holte die Whiskyflasche noch einmal heraus und schenkte sich sein Glas randvoll.
Rosanna ging zur Tür, um Robert zu bitten, die Musik ein wenig leiser zu stellen.
Eigentlich, dachte sie im Hinausgehen, würde uns eine gewisse Zeit der Trennung ganz gut tun.
Samstag, 9. Februar
Noch immer, wenn sie tief in der Nacht den stillen Platz vor dem The Elephant überquerte, sich nach rechts wandte und durch die enge, vollkommen ausgestorbene Gasse ging, an deren Ende ihre Wohnung lag, fühlte sie sich unbehaglich.
Nein, dachte sie, während sie mit gesenktem Kopf vorwärtshastete, unbehaglich ist gar nicht das richtige Wort. Ich habe Angst. Ich habe immer noch Angst.
Den Freitagabend und die ersten Stunden des Samstags hasste sie besonders. Am Freitag wurden, wenn der letzte Gast gegangen war, die Wocheneinnahmen berechnet und akribisch jeder einzelne Cent in einem dicken Ordner notiert. Justin McDrummond, der Besitzer des Pubs, nahm es sehr genau mit dem Geld, aber natürlich ging es dabei auch um seine Existenz. Seine beiden Angestellten durften nicht verschwinden, ehe nicht alles kontrolliert war und auf den Cent genau stimmte. Dadurch wurde es weit nach Mitternacht, ehe man sich auf den Heimweg machen konnte. Die Aushilfskräfte waren zu diesem Zeitpunkt längst auf und davon; nur Bert, der Koch, und sie, das Serviermädchen, hatten auszuharren.
Unglücklicherweise wohnte Bert in der entgegengesetzten Richtung, so dass es keine Chance gab, wenigstens ein Stück des Weges mit ihm gemeinsam zu gehen. Zudem hatte er es immer schrecklich eilig, zu seiner Frau und seinen kleinen Kindern nach Hause zu kommen.
Aber ohnehin, dachte sie, wäre er gar nicht auf die Idee gekommen, mir seine Begleitung anzubieten. Niemand geht davon aus, dass hier etwas geschieht. Nicht in Langbury. Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.
Sie sah auf ihre Uhr. Kurz nach halb zwei. Natürlich war kein Mensch mehr auf der Straße. Nicht, dass es hier überhaupt je von Menschen gewimmelt hätte, aber in hellen Sommernächten stieß man wenigstens gelegentlich auf ein Liebespaar oder auf irgendeinen späten Spaziergänger mit Hund. Aber natürlich nicht im Februar. Es war eine eisig kalte Nacht, der Wind jagte durch die Straßen und wirbelte ein paar Schneeflocken herum. Hinter allen Fenstern herrschte völlige Dunkelheit.
Sie hatte den Platz vor dem Pub überquert und
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