Die letzten ihrer Art
gut mit »Wie war der Flug?« (»Prima!«) und »Wie war das Essen?« (»Prima!«) und »Merkt ihr was von der Zeitverschiebung?« (»Uns geht's prima !«) klargekommen, aber dann kamen wir auf das, was er ganz offensichtlich für den Knackpunkt hielt.
»Warum macht ihr den langen Weg nach Mauritius, nur um euch so'nen beschissenen alten Flederhund anzusehen?« Der Landrover lief bedrohlich aus dem Ruder.
Etwas, was man über Richard Lewis wissen muß, oder besser das , was man über Richard Lewis wissen muß, ist, daß er als Ornithologe arbeitet. Wenn man das weiß, ergibt sich alles andere mehr oder weniger von selbst.
»Das will mir einfach nicht in den Kopf«, protestierte er, halb im Sitz umgewandt, um uns seine Strafpredigt zu halten. »Ihr fahrt nach Rodrigues ? Um nach einem Flederhund zu suchen? Der ist doch nicht mal besonders selten.«
»Also, das kommt darauf an«, protestierte Mark. »Für mauritische Verhältnisse mag er nicht besonders selten sein, aber er ist der seltenste Fiederhund der...«
»Herrgott noch mal, warum bleibt ihr denn nicht hier auf Mauritius?«
»Na...«
»Was wißt ihr denn über Mauritius? Irgendwas?«
»Also«, sagte ich. »Ich weiß, daß ... äh, uns da ein Laster entgegenkommt...«
»Das laßt mal meine Sorge sein. Um die Laster kümmere ich mich. Was wißt ihr über Mauritius?«
»Ich weiß, daß es ursprünglich von den Holländern kolonialisiert und nach deren Verschwinden von den Franzosen übernommen wurde, die es durch die napoleonischen Kriege an England verloren haben. Es ist also eine ehemalige britische Kolonie und Teil des Commonwealth. Die Einwohner sprechen französisch oder kreolisch. Es gelten größtenteils englische Gesetze, und man, äh, sollte eigentlich auf der linken Straßenseite fahren...«
»Na schön, ihr habt euren Reiseführer gelesen. Aber wißt ihr was über die Vögel hier? Habt ihr nie was von der Rosa Taube gehört? Dem Mauritiussittich? Kennt ihr den Mauritiusfalken nicht?«
»Doch, aber...«
»Warum fahrt ihr dann auf diese dämliche Insel Rodrigues, um nach einem lächerlichen Flederhund zu suchen? Wir haben einen ganzen Haufen von denen hier bei uns im Zuchtzentrum, wenn ihr unbedingt einen sehen wollt. Nicht seltener als Dreck, die blöden Dinger. Ihr wärt wesentlich besser beraten, hierzubleiben und euch was Richtiges anzusehen. Jesus !«
Er hatte plötzlich aus Versehen einen kurzen Blick auf die Straße vor uns geworfen und mußte das Lenkrad heftig herumwerfen, um einem entgegenkommenden Laster auszuweichen.
»Ich sag euch was«, sagte er und drehte sich wieder um. »Wie lange bleibt ihr? Zwei Wochen?«
»Ja«, sagte Mark hastig.
»Und ihr habt vor, zwei Tage hier zu verbringen und dann nach Rodrigues zu fliegen, um dort – wie lange? – zehn Tage zu bleiben und nach dem seltensten Flederhund der Welt zu suchen?«
»Ja.«
»Na gut. Ich sag euch, was ihr statt dessen macht. Ihr bleibt zehn Tage hier und geht dann für zwei Tage nach Rodrigues. Gebongt?«
»Finden wir ihn denn in zwei Tagen?«
»Ja.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil ich euch haargenau sagen werde, wo man ihn findet.
Kostet euch zehn Minuten. Macht eure paar Fotos und fliegt wieder nach Hause.«
»Oh.«
»Also bleibt ihr hier, stimmt's?«
»Äh...«
Wir schwankten unberechenbar weiter, mehr oder weniger in der Straßenmitte. Hektisch auf- und abblendend, wuchtete sich ein weiterer Laster in unser Blickfeld. Richard sah noch immer zu uns nach hinten.
»Einverstanden?« beharrte er. »Ihr bleibt hier?«
»Ja! Ja! Wir bleiben hier!«
»Prima. Gut. Das wollte ich aber auch meinen. Dann werdet ihr sogar Carl noch kennenlernen. Er ist genial, aber völlig irre. Jesus !«
Der geniale, aber völlig irre Carl Jones ist ein großer Waliser, Ende Dreißig, und gewisse Leute sagen ihm nach, es sei vor allem seiner geradezu abartigen Sturheit zu verdanken, daß die Umwelt auf Mauritius noch nicht restlos zerstört ist. Carl war derjenige gewesen, mit dem sich Mark wegen unserer Reisevorkehrungen in Verbindung gesetzt hatte, und uns war vom ersten Moment, da wir einen Fuß auf Mauritius setzten, sonnenklar, daß er eine Kämpfernatur sein mußte. Als wir dem Einreisebeamten am Flughafen erzählten, wir würden uns »an einem gewissen Black River bei einem gewissen Carl Jones aufhalten«, handelten wir uns damit ebenso unerwartetes wie entnervend hysterisches Gelächter und zudem noch freundliches Schulterklopfen ein.
Als Carl uns in Richards Haus besuchen kam, begrüßte er
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