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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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wäre abhanden gekommen. Er war jemand, der über eine ganze Skala von geheimen Listen verfügte.
    »Du siehst exzellent aus, würde ich sagen«, bemerkte er und stellte das Tablett auf dem Tisch ab.
    »Exzellent?«
    »Wunderschön. Bezaubernd. Strahlend. Hast du die Orchideen gesehen?«
    Sie hatte sie nicht gesehen, doch sah sie jetzt, und ihr Magen verkrampfte sich wie auf der Akropolis: ein Stengel aus Gold und Rostrot mit einem kleinen weißen Umschlag, der gegen die Vase gelehnt war. Absichtlich bürstete sie erst ihr Haar zu Ende, griff erst dann nach dem kleinen Umschlag und trug ihn zur Chaiselongue, auf die sie sich setzte. Joseph blieb stehen. Sie hob die Umschlagklappe hoch und zog eine schlichte Karte heraus, auf der die Worte standen: ›Ich liebe Dich‹ , mit abfallenden, unenglischen Schriftzügen geschrieben und der vertrauten Unterschrift: ›M.‹ »Nun? Woran erinnert dich das?« »Du weißt verdammt gut, woran mich das erinnert«, sagte sie schnippisch, als ihr - viel zu spät - die Verbindung aufging.
    »Dann sag’s mir.«
    »Nottingham, Barrie Theatre. York, das Phoenix. Stratford East, das Cockpit. Und du vorn in der ersten Reihe, wie du Glubschaugen nach mir machst.«
    »Dieselbe Handschrift?«
    »Dieselbe Handschrift, derselbe Text, die gleichen Blumen.«
    »Du kennst mich als Michel. ›M‹ für Michel.« Er machte seine elegante schwarze Reisetasche auf und packte rasch seine Kleider ein. »Ich bin alles, was du dir jemals ersehnt hast«, sagte er, ohne sie auch nur anzublicken. »Wenn du deinen Auftrag erfüllen willst, genügt es nicht, dass du dich nur daran erinnerst; du musst es glauben, musst es fühlen und davon träumen. Wir bauen eine neue Wirklichkeit auf, eine bessere.«
    Sie legte die Karte beiseite, schenkte sich Kaffee ein und tat das angesichts seiner Eile mit betonter Langsamkeit. »Wer sagt, dass es eine bessere ist?« fragte sie.
    »Du hast zwar deinen Urlaub zusammen mit Alastair auf Mykonos verbracht, aber im tiefsten Herzensgrund hast du verzweifelt auf mich, Michel, gewartet.« Er schoss ins Bad hinüber und kehrte mit seinem Kulturbeutel zurück. »Nicht auf Joseph - auf Michel. Sobald die Ferien vorüber waren, hast du gemacht, dass du nach Athen kamst. Auf dem Schiff hast du deinen Freunden weisgemacht, du wolltest ein paar Tage allein sein. Eine Lüge. Du hattest eine Verabredung mit Michel. Nicht mit Joseph - mit Michel.« Er warf den Kulturbeutel in die Reisetasche. »Du hast ein Taxi genommen und bist in das Restaurant gefahren, wo du mich trafst. Michel. In meinem seidenen Hemd. Mit der goldenen Uhr. Hummer wurde bestellt. Alles, was du gesehen hast. Ich hatte Prospekte mitgebracht, um sie dir zu zeigen. Wir haben gegessen, was wir gegessen haben, redeten über aufregende süße Nichtigkeiten, wie eben ein heimliches Liebespaar, das sich nach langer Zeit wiedersieht.« Er nahm die schwarze Kimonojacke vom Haken an der Tür. »Ich habe ein großzügiges Trinkgeld gegeben und, wie du ja bemerkt hast, die Rechnung eingesteckt. Dann habe ich dich zur Akropolis hinaufgefahren, eine verbotene Fahrt, einzigartig. Ein besonderes Taxi, mein eigenes, wartete. Den Fahrer redete ich mit Dimitri an....«
    Sie unterbrach ihn. »Das war also der einzige Grund, warum du mich zur Akropolis hinaufgebracht hast«, erklärte sie nachdrücklich.
    »Nicht ich habe dich hinaufgebracht - Michel. Michel ist stolz auf seine Sprachkenntnisse und sein Können als Verführer. Er liebt große, romantische Gesten, plötzliche Sprünge. Er ist dein Zauberer.«
    »Ich mag aber keine Zauberer.«
    »Außerdem interessiert er sich, wie du ja bemerkt hast, ehrlich, wenn auch oberflächlich für Archäologie.«
    »Und wer hat mich geküsst?«
    Sorgfältig legte er die Kimonojacke zusammen und verstaute sie in der Tasche. Er war der erste Mann, den sie kannte, der eine Tasche zu packen verstand.
    »Der mehr praktische Grund für die Tatsache, dass er dich zur Akropolis hinaufgebracht hat, bestand darin, unauffällig den Mercedes zu übernehmen, den er aus bestimmten Gründen nicht während der Hauptverkehrszeit in die Stadt hinunterbringen wollte. Du stellst wegen des Mercedes keine Fragen; für dich gehört das zu dem Zauber, mit mir zusammen zu sein, genauso, wie du bei allem, was wir tun, eine gewisse Heimlichkeit akzeptierst. Du akzeptierst alles. Bitte, beeil dich! Wir müssen noch weit fahren und viel miteinander reden.«
    »Und was ist mit dir?« fragte sie. »Bist du auch in mich

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