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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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fiel ein, wie vertieft er in die Papiere auf seinem Tisch gewesen war; er hat seine Hausaufgaben gemacht.
    »Du erinnerst dich noch an unsere Unterhaltung, ehe du heute Morgen zu Bett gingst, Charlie? Wenn du aufstehst, möchte ich dich bitten, dieses Kleid anzuziehen und auch die neue Unterwäsche, die du hier in dieser Schachtel findest. Am liebsten sehe ich dich heute in Blau und das Haar lang und offen - keine Knoten.« »Zöpfe.«
    Er überging die Berichtigung. »Diese Kleider sind ein Geschenk von mir für dich; und es ist mir ein Vergnügen, dich zu beraten, was du anziehst und wie du aussehen sollst. Setz dich bitte auf und sieh dir das Zimmer gründlich an.«
    Sie war nackt. Sie zog sich die Bettdecke bis unters Kinn und setzte sich vorsichtig auf. Vor einer Woche, am Strand, hätte er ihren Körper nach Herzenslust betrachten können. Doch das war vor einer Woche gewesen.
    »Präg dir alles genau ein, alles um dich herum. Wir sind ein heimliches Liebespaar, und wir haben hier die Nacht verbracht. Es geschah alles, wie es geschah. In Athen trafen wir uns wieder, kamen hier in dieses Haus und fanden es leer vor. Kein Marty, kein Mike, niemand - nur wir.«
    »Und wer bist du?«
    »Wir haben den Wagen geparkt, wo wir ihn geparkt haben. Als wir ankamen, brannte die Lampe im Eingang. Ich schloss die Vordertür auf, und zusammen sind wir Hand in Hand die breite Treppe rauf gelaufen.«
    »Und was ist mit dem Gepäck?«
    »Zwei Stück. Meine Reisetasche, deine Schultertasche. Ich habe beide getragen.« »Aber wie hast du dann meine Hand gehalten?« Sie dachte, sie übertrumpfte ihn mit ihren Mutmaßungen, doch er freute sich über ihre Genauigkeit.
    »Die Schultertasche mit dem gerissenen Henkel hatte ich mir unter den rechten Arm geklemmt. Den Griff meiner Tasche hatte ich in der rechten Hand. Ich lief an deiner rechten Seite, meine Linke war frei. Das Zimmer haben wir genau so vorgefunden, wie es jetzt ist, alles war vorbereitet. Wir waren kaum durch die Tür, da sind wir uns schon in die Arme gefallen. Wir konnten unsere Begierde keine Sekunde länger zügeln.«
    Mit zwei Schritten war er am Bett, suchte unter den auf dem Boden durcheinander liegenden Bettüchern, bis er ihre Bluse fand, die er ihr hinhielt, damit sie sie ansah. Sie war an jedem Knopfloch eingerissen; zwei Knöpfe fehlten.
    »Unsere Raserei«, erklärte er mit einer Entschiedenheit, als ob Raserei das Normalste sei. »Ist Raserei das richtige Wort?« »Eines davon.« »Dann also Raserei.«
    Er warf die Bluse beiseite und gestattete sich ein knappes Lächeln. »Möchtest du Kaffee?«
    »Kaffee wäre phantastisch.«
    »Brot? Joghurt? Oliven?«
    »Nur Kaffee.« Er war schon an der Tür, als sie mit lauterer Stimme hinter ihm herrief: »Tut mir leid, dass ich dir eine gelangt hab’, Jose. Du hättest zu einem von diesen israelischen Gegenschlägen ausholen und mich zu Boden strecken sollen, ehe ich mich versah.«
    Die Tür schloss sich, und sie hörte ihn den Korridor hinuntergehen. Sie fragte sich, ob er wohl je wiederkommen würde. Mit einem Gefühl der Unwirklichkeit stieg sie munter aus dem Bett. Eine Pantomime, dachte sie - Goldhaar im Bärenhaus. Die Beweise ihrer imaginären Orgie lagen überall um sie verstreut: eine Wodkaflasche, noch dreiviertel voll, schwamm im Sektkühler. Zwei benutzte Gläser. Eine Schale mit Obst, zwei Teller samt Apfelschalen und Traubenkernen. Der rote Blazer über eine Stuhllehne gehängt. Die elegante schwarze Ledertasche mit Seitentaschen, wie sie zur Männlichkeitsausstattung eines jeden leitenden Angestellten gehört. An der Tür hing ein kurzer Kimono, wie ein Karateanzug geschnitten, Hermes de Paris - gehörte ihm ebenfalls, schwere schwarze Seide. Im Badezimmer ihr eigener Schulmädchen-Schwammbeutel gegen seinen kalbsledernen Kulturbeutel gelehnt. Zwei Handtücher lagen da, sie benutzte das trockene. Als sie sich den blauen Kaftan genauer ansah, stellte sich heraus, dass er recht hübsch war: schwere Baumwolle mit hohem, züchtigem Stehkragen, das Seidenpapier des Ladens steckte noch darin: Zelide, Rome and London . Die Unterwäsche war teures Nuttenzeug: schwarz, genau ihre Größe. Auf dem Boden eine funkelnagelneue Schultertasche aus Leder sowie ein Paar schicke, flache Sandalen. Sie probierte eine an. Passte. Sie zog sich an und bürstete sich das Haar aus, als Joseph mit einem Tablett mit Kaffee zurückkam. Er konnte schwerfällig sein und so leicht und behende, dass man meinen konnte, der Soundtrack

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