Die Liebe deines Lebens
– erstens sollten Sie sich nicht so in das Schicksal eines Opfers verwickeln lassen. Ich bin schon lange bei diesem Spiel dabei und …«
»Spiel? Ich habe zugesehen, wie ein Mann sich direkt vor meinen Augen in den Kopf geschossen hat. Für mich ist das kein Spiel.« Meine Stimme versagte, und ich nahm es als Hinweis, den Mund zu halten.
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Ich schauderte innerlich und hielt mir die Hand vors Gesicht. Ich hatte es vermasselt. Aber dann riss ich mich zusammen und räusperte mich. »Hallo?«
Ich erwartete eine schlagfertige Erwiderung, irgendetwas Zynisches. Aber nichts dergleichen. Maguires Stimme klang ganz sanft, und anscheinend war er woanders hingegangen, denn es war ganz still geworden, so dass ich erst dachte, dass mir alle zuhörten.
»Wissen Sie, wir haben Leute hier, mit denen Sie nach so einem Erlebnis reden können«, sagte er ungewöhnlich freundlich. »Das hab ich Ihnen schon in der Nacht damals gesagt und Ihnen eine Karte gegeben. Haben Sie die noch?«
»Ich muss mit niemandem reden«, erwiderte ich ärgerlich.
»Na schön.« Jetzt war er wieder barsch wie immer. »Schauen Sie, wie ich Ihnen vorhin sagen wollte, als Sie mich unterbrochen haben – es gibt keine Informationen über die Beerdigung, weil es nämlich keine Beerdigung gegeben hat. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen haben, aber offensichtlich hat man Ihnen Quatsch erzählt.«
»Wie meinen Sie das?«
»Na, man hat Sie angeschwindelt. Ihnen Lügen aufgetischt.«
»Nein, ich meinte – was heißt, es hat keine Beerdigung gegeben?«
Er klang tierisch genervt, weil er etwas erklären musste, was für ihn doch sonnenklar war. »Er ist nicht gestorben. Noch nicht jedenfalls. Simon Conway liegt im Krankenhaus. Ich kann rauskriegen, in welchem, und dort Bescheid sagen, dass Sie ihn besuchen können. Aber er liegt im Koma und wird sicher nicht viel reden.«
Mir blieb die Spucke weg, ich war sprachlos.
Eine Weile herrschte Schweigen.
»Ist sonst noch was?« Anscheinend war Maguire jetzt wieder unterwegs, denn ich hörte eine Tür zuknallen, dann war er wieder in dem Raum mit den lauten Stimmen.
Es fiel mir schwer, auch nur einen einzigen Gedanken zu formulieren, während ich langsam in meinen Sessel zurücksank.
Und manchmal, wenn man Zeuge eines Wunders wird, glaubt man, dass alles möglich ist.
3 Wie man ein Wunder erkennt und was man tun kann, wenn man eines erlebt
Es war totenstill im Zimmer, das einzige Geräusch das Piepen des Herz-Monitors und das Zischen des Beatmungsgeräts. Simon sah vollkommen anders aus als bei unserer letzten Begegnung, das genaue Gegenteil. Jetzt wirkte er vollkommen friedlich. Die rechte Seite seines Gesichts sowie der Kopf waren verbunden, die linke Gesichtshälfte wirkte ruhig und glatt, als wäre nichts geschehen. Ich setzte mich auf seine linke Seite.
»Ich habe gesehen, wie er sich in den Kopf geschossen hat«, flüsterte ich Angela, der diensthabenden Schwester, zu. »Er hat den Revolver so gehalten« – ich demonstrierte es ihr mit meiner eigenen Hand – »und dann auf den Abzug gedrückt. Ich hab gesehen, wie sein … alles überall hingespritzt ist. Wie hat er das überlebt?«
Angela lächelte, ein trauriges Lächeln, es bewegte nur die Muskeln um ihren Mund herum. »Ein Wunder?«
»Aber was für ein Wunder ist das?« Ich flüsterte immer noch, denn ich wollte nicht, dass Simon mich hörte. »Es geht mir dauernd im Kopf herum. Ich habe Bücher über Selbstmord gelesen, was ich ihm hätte sagen sollen, und da steht, wenn man Menschen, die mit Selbstmord drohen, dazu kriegt, rational zu denken, wenn sie sich also den realen Selbstmord und seine Folgen vorstellen, dann könnten und würden sie ihren Entschluss
vielleicht
rückgängig machen. Sie suchen nach einer schnellen Methode, sich von ihrem emotionalen Schmerz zu befreien, nicht ihr Leben zu beenden – wenn man ihnen also einen anderen Weg zeigt, wie sie den Schmerz lindern können, kann man ihnen möglicherweise helfen. Und wenn man bedenkt, dass ich keinerlei Erfahrung hatte, glaube ich, dass ich meine Sache ganz gut gemacht habe, ich glaube jedenfalls, ich bin zu ihm durchgedrungen. Er hat auf mich reagiert, zumindest für einen Augenblick. Ich meine, er hat den Revolver weggelegt und mich die Polizei rufen lassen. Ich weiß nur nicht, was ihn dann wieder in diesen Zustand zurückversetzt hat.«
Angela runzelte die Stirn, als würde sie etwas hören oder sehen, was ihr gar
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