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Die Liebe ist ein Dieb und der Pirat der Träume (German Edition)

Die Liebe ist ein Dieb und der Pirat der Träume (German Edition)

Titel: Die Liebe ist ein Dieb und der Pirat der Träume (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Garber
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doch Offenbarungen. Oder zumindest können sie welche heraufbeschwören, und wenn ich das sage, meine ich das nicht despektierlich.
    Ich hatte den Morgen zusammen mit Julien und Sue auf der Piste verbracht, zugesehen, wie er sie unterrichtete, beobachtet, wie sie immer mehr Selbstvertrauen bekam und immer mehr an sich glaubte. Sue brach jedes Mal, wenn sie einen Schwung gemacht hatte, in einen regelrechten Freudentaumel aus. „Ich kann es!“, rief sie mir immer wieder zu. „Ich schaffe es, verdammt, ich kann’s! Jippie!“, brüllte sie, bevor sie die Kontrolle verlor, in Richtung eines Baumes schlitterte und laut auflachte, als sie in den Schnee fiel.
    Nach Sues Stunde fragte Julien mich, ob ich ihm helfen wolle, eine Anfängergruppe zu unterrichten. Während ich den unterschiedlichsten Schülern die Hand hielt, ihnen dabei half, die ersten Schwünge zu fahren, sie wieder aufsammelte, wenn sie aus dem Tellerlift gefallen waren, und ihnen versicherte, dass alle einmal klein und unbeholfen angefangen hatten, verspürte ich auf einmal das Gefühl .
    Das Gefühl ist das, was Mary empfindet, wenn sie Autos repariert. Das Gefühl ist das, was Annie-pants empfindet, wenn sie sich mit Mode beschäftigt, das Gefühl ist das, was Leah verspürt, wenn sie ihre Therapien macht, oder Beatrice, wenn sie Klavier spielt. Während des Skikurses fühlte ich mich rundum zufrieden, auf eine Weise, die nichts mit jemand anderem zu tun hatte, die mir nicht von jemand anderem weggenommen werden konnte, die nicht von jemand anderem abhängig war. Die Berge, die Skikurse, die Skilehrer … Ich begann langsam, eine Theorie zu entwickeln, und die beinhaltete ein „Spieglein, Spieglein an der Wand“.
    Denn was ist, wenn wir uns zu Menschen hingezogen fühlen, deren Lebensstil wir uns auch wünschen, deren Qualitäten oder Fähigkeiten wir bisher vielleicht nicht aufweisen konnten? Also gehen wir eine Beziehung mit jemandem ein oder heiraten jemanden, der diese Qualitäten, Fähigkeiten und Erfolge vorweisen kann, so als würde es ausreichen, wenn wir uns in seiner Nähe befinden. Sue hatte sich immer wieder mit Männern verabredet, die körperlich unglaublich aktiv und fit gewesen waren. Mary hatte geheiratet und dann zugesehen, wie Len an alten Autos herumschraubte. Ich hatte mich mit einem bilingualen Skilehrer eingelassen (genau genommen hatte ich mich schon mit diversen Skilehrern eingelassen), aber ich bin nie auf die Idee gekommen, richtig Französisch zu lernen oder eine Skilehrerausbildung zu machen. Ich hatte glücklich mit Gabriel zusammengelebt, hatte die Entscheidungen mitgetragen, die er für sein Leben getroffen hatte, ohne je selber welche zu treffen. Das erinnerte ein wenig an einen neugierigen Nachbarn – ich lebte neben meinem Traumhaus und sah zu, wie andere mein Traumleben lebten. Oder an ein allzu fürsorgliches Elternteil, das sich in den Erfolgen des Nachwuchses sonnt, oder an einen begeisterten Fan, der jede Nacht mit einem weggeworfenen Zigarettenstummel schläft, der vielleicht – oder vielleicht auch nicht – von seinem Idol geraucht worden war. Julien war mein Wegweiser, so wie Gabriel vor ihm. Sie waren der Spiegel, der mir zeigte, was ich mir wohl schon immer für mich selbst erträumt hatte.
    Wichtige Gegendarstellung: Nur weil man erkennt, dass etwas ein Spiegel ist, heißt das noch lange nicht, dass man es umgehend aufgeben muss. Spiegel und Wegweiser können Spaß machen. Ich zum Beispiel habe vielleicht noch das eine oder andere Mal vor meinem Abflug nach London den Spiegel (Julien) angeschaut. Na ja, es war ja auch etwas Besonderes, nicht wahr? Der erste Kuss nach Gabriel, die erste intime Begegnung nach Gabriel, die ersten anderen Dinge, die nicht hier auf diese Seiten gehören …
    An meinem letzten Abend in Frankreich schaute ich mir den Spiegel noch mehrmals an, zügellos, ich weiß, bevor ich schnell noch paar Fotos von ihm schoss, während er schlief (nur Grandma zuliebe, natürlich), um dann selbst in einen tiefen Schlaf zu sinken, den tiefsten Schlaf, der mir, seitdem ich Gabriel verlassen hatte, vergönnt gewesen war. In den Armen von Julien, einem Mann, der, wenn ich ehrlich bin, nicht gerade zu den gewandtesten Gesprächspartnern auf diesem Planeten gehörte, hatte ich das Gefühl, als hätte ich eine neue Seite aufgeschlagen. Oder zumindest hatte ich dieses Gefühl für ungefähr viereinhalb Stunden …

Stimmen in der Nacht
    Der Anruf kam mitten in der Nacht. Mein Handy klingelte Sturm.

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