Die Liebe ist ein Dieb und der Pirat der Träume (German Edition)
ehrlisch.“
Ich schaute in seine funkelnden Augen, dann zu Sue, die mich strahlend ansah.
Es gab einen Grund für mein Zögern, und der lag in der Vergangenheit, denn ich war mit dieser Art von nächtlicher Fackelfahrt sehr vertraut. Ich hatte es früher schon gemacht, mit Gabriel, und es hatte immer damit geendet, dass wir uns auf dem Weg nach unten irgendwo im Wald geliebt hatten. Was war, wenn es sich hierbei um irgendeine Art von Skilehrer-Sexfalle handelte? Oder um einen sexuellen Initiationsritus in einem neuen Skiort? Oder um die Idee von Grandma, mich zurück in den Sattel zu befördern, in einen Sattel, in den ich gar nicht reinwollte?
Plötzlich klatschte Julien in die Hände und rief: „Okay, abgemacht!“, bevor er nach meiner Hand griff und mich zu sich zog, die verlassen daliegende Piste hinunter, hinunter zu einem einsamen Sessellift – bis hinunter zu den Grenzen meiner Selbstbeherrschung.
Ungefähr fünfzig weitere Skilehrer warteten bereits am Sessellift und wurden nacheinander den dunklen Berg hinaufbefördert. Julien und ich hatten den Lift für uns. Sofort rutschte er ganz nahe an mich heran und legte den Arm um mich. „Isch möschte nischt, dass dir kalt wird, Kate“, meinte er, während er so tat, als würde er sicherstellen, ob mein Reißverschluss auch ordentlich zugezogen war, meine Mütze ordentlich saß und ich so nah wie möglich an seinen verdammten Lippen war, die so zum Küssen einluden. „Du schreibst also“, meinte er und schob mir noch ein paar Haarsträhnen unter die Mütze. Sein Gesicht war so nahe an meinem, dass wir Nase an Nase miteinander redeten.
„Ja, über die Liebe.“
„Oh, das ist ja mein Lieblingsthema.“ Er lächelte, atmete tief aus, während er mich voller Verlangen ansah. Er war das genaue Gegenteil von Peter Parker, dem schwulen Magneten.
„Also“, sagte ich und blickte starr geradeaus. „Hast du schon einmal etwas verloren, weil du dich verliebt hast?“
„Wenn isch etwas wegen der Liebe verliere, dann ist es normalerweise die Liebe selbst.“ Wieder lächelte er mich an. „Isch abe nicht viel zu verlieren, Kate.“ Gutes Aussehen, athletischer Körper, die Fähigkeit, wie ein Olympionike Ski zu laufen – er gehörte wohl eindeutig zu den „Mein Glas ist halb leer“-Typen.
„Und was hast du verloren, Kate?“, fragte er und zog mich näher an sich.
„Ich fange langsam an, zu vermuten, dass ich dies hier verloren habe“, antwortete ich und deutete auf die Berge, doch Julien fuhr fort, mich mit Blicken zu verschlingen, sodass ich während der restlichen Fahrt nach oben schwieg. Als wir oben ankamen, nahm Julien mich an die Hand. „Lass uns ier inübergeen“, meinte er, als wir aus dem Sessellift ausstiegen. Er zog mich an den anderen Skilehrern vorbei, die sich versammelten, um zusammen hinabzufahren. Ungefähr vierzig Meter entfernt von den anderen, an einem dunklen Abhang, blieb er stehen.
„Kate, dir wird eine große Ehre zuteil“, sagte er und stieg von seinen Skiern. „Dies ist ein ganz besonderer Ort, komm, isch lade disch auf meinen Stein ein, bitte nimm Platz.“ Er deutete auf einen echten Stein.
„Sollten wir nicht dort drüben warten?“, drängte ich und machte einen Schritt zurück.
„Nein, nein, wir aben noch Zeit. Isch abe ein Geschenk für disch. Komm …“
Seufzend folgte ich ihm. Ich kam immer nur eine begrenzte Zeit dagegen an. Ich war eine Flamme. Französische Skilehrer waren die Motten. Oder vielleicht war es auch andersherum. Wie auch immer, es endete stets damit, dass ich mit einem im Bett landete. Es war ein ungeschriebenes, universelles Gesetz, so wie dieSchwerkraft oder die mit fünfunddreißig Jahren einsetzende Cellulitis. Also setzte ich mich auf seinen Stein (das ist kein Sinnbild), und Julien setzte sich neben mich, so nahe, wie es überhaupt nur ging, legte einen Arm um mich und zog mich an sich. Wir saßen so eng beieinander, dass es mir völlig natürlich vorkam, mich in seine Arme zu schmiegen, meinen Kopf an seine Schulter zu legen und mich an seinen Hals zu kuscheln. Wie konnte es angehen, dass mir jemand, den ich gerade erst getroffen hatte, körperlich so vertraut war? Die Ähnlichkeit war einfach zu groß, die Ähnlichkeit zu …
„Kate, schau nur“, flüsterte er mir ins Ohr. Er drehte meinen Kopf herum und deutete den Berg hinunter. Ich folgte seinem Blick. Der Skiort lag ungefähr tausend Meter unter uns und blinkte in der Dunkelheit wie ein winziges Ewok-Dorf. Und die Berge
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