Die Liebe ist ein Dieb und der Pirat der Träume (German Edition)

vor uns erstreckten sich meilenweit, Hunderte von Bergspitzen, hinter denen die allerletzten Sonnenstrahlen verschwanden. Ich legte mir die Hand auf die Brust und dachte an Mary. Zum ersten Mal, seit ich mich erinnern konnte, empfand ich bei diesem Anblick eine unglaubliche innere Ruhe.
    „Ier“, sagte Julien und reichte mir einen kleinen Plastikbecher. „Es könnte sein, dass er ist ein bisschen warm“, entschuldigte er sich, als er seine Jacke öffnete und eine Flasche Champagner herauszog (es ist mir ein Rätsel, was diese Typen alles in ihren Jacken unterbringen können). Er schenkte mir ein Glas ein und rieb sacht meinen Rücken, um die Kälte zu vertreiben.
    „Also, Kate, gefällt dir, wer du bist, wenn du ier bist?“ Er deutete auf den grandiosen Ausblick vor uns.
    Ich schaute in sein gut aussehendes Gesicht und dann zu den Bergen. „Ja, auf jeden Fall.“
    „Dann ist meine Aufgabe erledigt“, flüsterte er, bevor er meine Wangen streichelte und sich so weit vorbeugte, dass seine Lippen nur Millimeter von meinen entfernt waren. Ich hatte das Gefühl, als würde ich in ihm versinken, in diesem Augenblick, in diesen Stein, auf dem wir saßen, und ich bin mir sicher, dass der schöne Julien das auch ganz genau wusste. Ich war bestimmt schon diezigtausendste Frau, die er eingefangen, hier auf seinen Stein gesetzt und mit warmem Fusel abgefüllt hatte, nicht dass ich mich beschwerte, gekühlter Champagner wird sowieso überbewertet. 13
    Julien und ich blieben ziemlich lange auf dem Stein sitzen, ich machte auch keinerlei Versuch, mich aus seinen Armen zu lösen. Wir blieben auch noch lange nachdem die anderen Skilehrer ihre Fackeln angezündet hatten, lange nachdem sie sich auf den Weg den Berg hinunter gemacht hatten, einer nach dem anderen, eine sich langsam bewegende Schlange aus Feuer, die den dunklen Berg hinunterwedelte, lange nachdem das Feuerwerk tausend Meter unter uns explodiert war. Ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass ich ja beruflich hier war, dass ich von meinem ziemlich geizigen Chef bezahlt wurde. Chad erwartete einen erstklassigen Artikel von mir oder zumindest eine größtenteils fiktive Interpretation von dem, was eine ganz gewöhnliche Frau mittleren Alters in ihrem Skiurlaub erlebte, aber ich durfte auf keinen Fall mit leeren Händen oder mit leerem Kopf abreisen und lediglich einen weiteren Skilehrer als Trophäe vorweisen, mein Trophäenschrank war ohnehin gut gefüllt. Obwohl, mehr als elftausend „True Love“-Leserinnen hatten geschrieben und Seeräuberin Kate geraten, sich an so vielen Piraten wie möglich zu erfreuen, ehe sie sich auf einen festlegte, also arbeitete ich in gewisser Weise ja doch, auch wenn ich nicht arbeitete …
    „Vielleicht sollten wir jetzt auch den Berg runterfahren, Julien?“ Braves Mädchen ! „Ich glaube, ich sollte noch ein wenig arbeiten, ehe wir morgen früh weitermachen.“ Chad wäre stolz auf mich.
    „Kate, du kannst ein andermal arbeiten, du kannst immer arbeiten, aber jetzt musst du dies ier genießen, diesen Augenblick, diesen Ausblick, uns beide ier, allein. Sei ier, mit mir. Sei einfach. Es ist wichtig, dass man den Augenblick genießt, nicht wahr?“ Zum Teufel mit ihm, ja, das war es. Und es war eines meiner neuen Mantras. „Kate, wir können auch später noch inunterfahren. Ischkenne den Berg.“ Er beruhigte mich, indem er sich vorbeugte und mir einen Kuss gab. „Isch verspreche dir, Kate, isch verspreche es, isch kenne die Berge nachts wirklich gut.“
    Auch ich kannte die Berge bei Nacht, und da kamen immer Küsse und Zärtlichkeiten ins Spiel und hin und wieder auch ein paar kleine Frostbeulen am Po.

Spieglein, Spieglein an der Wand
    Am folgenden Tag | Französische Alpen
    Französische Männer machen doch Frühstück. Als ich aufwachte, fand ich frischen Espresso. Es gab Croissants, auf meinem Kopfkissen lag eine kleine Blume sowie eine Nachricht, die mir verriet, dass ich wundervoll sei und ihn am Berg treffen solle. Französische Männer sind doch für den Morgen danach zu haben. Sobald Julien mich auf der Piste entdeckte, kam er auf mich zugefahren. Er strahlte mich an, als wäre ich eine wunderbare Kreation, an der er die ganze Nacht über gearbeitet hatte … was in gewisser Weise auch stimmte. Französische Männer machen doch Komplimente. Ich verbrachte den ganzen Vormittag damit, mir anzuhören, dass ich das Beste überhaupt und alles, was ich tat, einfach brillant sei. Französische Männer vollbringen