Die Liebe kommt auf leisen Pfoten
worum es ging und konnte auch nicht lokalisieren, woher das Geschrei kam. Sie ging davon aus, dass es wieder das frisch verheiratete Pärchen war. Seit der Hochzeit vor ein paar Monaten hatte es bei den beiden schon ein paar Mal geknallt. Am nächsten Morgen strahlten dann beide wieder wie die Honigkuchenpferde. Versöhnung musste etwas Tolles sein.
Sie schloss ihre Tür auf und machte sich keine weiteren Gedanken. Als sie in ihrer Küche ankam und die Einkäufe versorgen wollte, wurde ihr jedoch bewusst, dass die Streiterein scheinbar lauter waren als draußen im Treppenhaus. Sie lauschte einen Moment und ging ins Wohnzimmer. Tatsächlich, die Stimmen kamen aus der Wohnung über ihr. Nicole versuchte zu verstehen, worüber gestritten wurde, doch es gelang ihr nicht. Aber es ging sie sowieso nichts an. Deshalb lief sie zurück in die Küche und räumte die Sachen in den Kühlschrank. Als sie fertig war, wurde immer noch laut gestritten. Sie konnte nicht anders und ging auf den Balkon, in der Hoffnung, dort vielleicht mehr mitzubekommen. Zu ihrer Enttäuschung war die Balkontür über ihr offenbar zu, denn hier draußen hörte sie noch weniger als drinnen. Sie ging wieder rein und schloss die Tür hinter sich. Es war irgendwie ein komisches Gefühl. So, wie sie Andrea kennen gelernt hatte, passte es doch gar nicht zu ihr, dass sie so laut rumschrie. Sie würde gerne wissen, was oder wer Andrea so auf die Palme bringen konnte. Da hörte sie von oben ein klirrendes Geräusch. Vor Schreck hatte sie automatisch den Nacken eingezogen. In der Wohnung oben war es plötzlich totenstill. Nicole verspürte das Bedürfnis, sofort nach oben zu rennen und zu schauen, ob bei Andrea alles in Ordnung war. Sie kämpfte noch mit sich und hatte die Hand schon an ihrer Wohnungstür um nach draußen zu gehen, da hörte sie, wie es oben weiter ging mit Geschrei und Nicole ging wieder ins Wohnzimmer. Kurz darauf knallte oben die Wohnungstür und jemand stapfte offensichtlich das Treppenhaus hinunter. Nicole kam nicht gegen ihre Neugier an und hechtete zum Türspion, doch sie war zu langsam oder der andere zu schnell. Bis sie nachschauen konnte, schloss sich schon die Hauseingangstür.
Da sie nicht wusste, was sie machen sollte, ging sie erst einmal zu Flecki und kraulte ihren Kopf. „Na, was meinst Du? Soll ich hoch gehen und mal nach Andrea sehen?“ Sie bekam ein Schnurren zur Antwort. „Heißt das jetzt ja oder nein?“ Flecki drehte sich auf die Seite und schnurrte noch lauter. „Ich verstehe, es ist Dir egal, Hauptsache ich streichle Dich noch etwas weiter.“ Nicole beugte sich dem mutmaßlichen Wunsch ihrer Katze und kraulte sie noch ein wenig. Dann nahm sie ihren Mut zusammen und ging mit klopfendem Herzen hoch zu Andreas Wohnung. Sie wusste nicht, ob sie klingeln sollte oder lieber nur vorsichtig klopfen. Weil sie nicht aufdringlich erscheinen wollte, entschied sie sich fürs Klopfen. Nachdem sich zuerst nichts tat, fragte sie durch die Tür: „Andrea? Ist alles in Ordnung bei Dir?“ Wieder nichts. „Mach doch bitte auf. Ich mache mir Sorgen.“ Frau Bohner schien nicht zu Hause zu sein, sonst wäre die gegenüberliegende Tür schon längst aufgegangen. Nicole war schon im Begriff, wieder nach unten zu gehen, als sich vorsichtig die Tür vor ihr öffnete. Andrea stand vor ihr wie ein Häufchen Elend. Offensichtlich hatte sie geweint. „Es ist alles okay“, sagte sie mit leiser Stimme. Nicole sah an ihr vorbei in den Wohnungsflur. Scheinbar war es ein Teller gewesen, der zu Bruch gegangen war. Die Scherben lagen noch auf dem Boden. Zusammen mit dem Essen, was wohl zuvor auf dem Teller gewesen war. „Bist Du sicher?“ Nicole war sich bei diesem Anblick nämlich nicht so sicher.
„Ja, wirklich“, sagte Andrea, diesmal mit etwas mehr Nachdruck. „Es ist lieb, dass Du fragst, aber sei mir nicht böse. Ich will jetzt einfach nur alleine sein.“
„Ist gut“, lenkte Nicole ein, „aber Du kannst gerne jederzeit runter kommen, wenn Du willst.“
„Danke.“ Andrea schloss die Tür, ohne Nicole noch einmal anzuschauen.
Mit langsamen Schritten ging Nicole wieder die Treppen runter in ihre Wohnung. Sie hätte Andrea so gerne gefragt, was passiert war. Sie hätte sie in den Arm nehmen wollen, sie einfach nur festgehalten und ihr sagen, dass alles gut wird. Aber sie musste einsehen, dass Andrea wohl alleine damit klar kommen wollte, was auch immer geschehen war.
Die nächsten Tage hörte und sah sie nichts von Andrea. Sie
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