Mach mich Glücklich!
[Menü]
1
L ily Morrisette wollte gerade das Wasserglas an die Lippen setzen, um einen Schluck zu trinken, als sie mitten in der Bewegung verharrte und fasziniert den großen Mann anstarrte, der durch die Küchentür trat. Die Granitfliesen unter ihren Füßen verbreiteten einen matten Glanz, und außer dem fernen Ticken der alten Standuhr im Wohnzimmer war in dem großen Haus direkt am Strand von Laguna Beach kein Laut zu hören. Der Mann brachte einen Schwall kühler, salziger Luft mit sich, der nach den ersten Frühlingsblumen roch. Aber kühl war nicht unbedingt das Wort, das Lily bei seinem Anblick als Erstes in den Sinn kam. Im Gegenteil, er war einer der heißesten Typen, die ihr jemals unter die Augen gekommen waren.
Von den Fotos, die ihr Glynnis Taylor gezeigt hatte, wusste sie natürlich, wer er war. Allerdings wurde ihm keines der Bilder auch nur annähernd gerecht, und schon bei seinem bloßen Erscheinen stockte Lily der Atem.
Er war etwa einen Meter achtzig groß und strahlte etwas Geheimnisvolles und Gefährliches aus. Letzteres ließ sich allein aus seiner Haltung schließen. Und alles Übrige - das tiefschwarze Haar und die Wangen mit den dunklen Schatten, die langen Beine und die breiten Schultern, über denen sich ein marineblaues T-Shirt spannte - nun, was soll man sagen, er war ganz einfach eine Wucht.
Lily überlegte kurz, ob sie sich das Wasser statt in der Mund nicht lieber auf eine Körperstelle schütten sollte, an der sie jetzt dringender eine Abkühlung nötig hatte. Sie tat es natürlich nicht! Aber hier stand er in Fleisch und Blut vor ihr: der Mann ihrer Träume.
Doch dann machte er seinen Mund auf und zerstörte die Illusion.
»Wer sind Sie denn?«, fuhr er sie an und ließ dabei einen olivgrünen Matchsack von der Schulter rutschen und auf den Fliesenboden fallen. »Und was haben Sie in meiner Küche zu suchen? Wo ist Glynnis?«
Seine Augen waren von einem klaren, hellen Grau, mit einem kohlschwarzen Ring um die Iris. Unter seinen dichten, dunklen Wimpern hervor musterte er mit intensivem, undurchdringlichem Blick ihre dünnen, minzgrünen, mit einer Schnur zusammengehaltenen Pyjamahosen und ihr Tanktop. Sein prüfender Blick erinnerte Lily an jedes einzelne ihrer überflüssigen zehn Pfund, die sie einfach nicht loswerden konnte. Mit einem Klirren stellte sie ihr Glas auf der Küchentheke ab, verzichtete jedoch darauf, ihm im gleichen unhöflichen Ton zu antworten.
»Sie müssen Zach sein.« Sie trat einen Schritt vor und streckte Glynnis' Bruder die Hand entgegen. »Glynnis ist weggefahren. Ich bin Lily - Lily Morrisette. Ich habe schon viel von Ihnen gehört, seit ich hier eingezogen bin.«
»Was Sie nicht sagen«, knurrte er und übersah ihre ausgestreckte Hand. Seine Stimme war so tief, dass sie ihr Vibrato praktisch bis in die Fußsohlen spüren konnte, genau wie damals, in ihrer Jugend, die Bässe aus dem Autoradio des Nachbarjungen, wenn er an ihrem Haus vorbeifuhr. Und sie war fast so kalt wie sein eisiger Blick, als er fortfuhr: »Glynnis hatte schon immer das Talent, irgendwelche verkrachten Existenzen aufzulesen, die eine traurige Geschichte zu erzählen wussten, aber dass sie so weit gehen würde, in meiner Abwesenheit tatsächlich eine von ihnen in unserem Haus unterzubringen, hätte ich nicht gedacht.«
»Wie bitte?«
»Ich hoffe, Sie haben bekommen, was Sie wollten, solange die Gelegenheit günstig war, Lady« Er bedachte sie mit einem, so geringschätzigen Blick, dass Lily all ihre Selbstbeherrschung aufbringen musste, um nicht zurückzuweichen. »Denn jetzt dürfen Sie Ihren hübschen kleinen Hintern hier wieder rausbewegen, jetzt ist Schluss mit freier Kost und Logis. Packen Sie Ihre Koffer.«
Er fand ihren Hintern hübsch? Und klein ? Reiß dich zusammen, Lily, ermahnte sie sich. Mein Gott, was war nur los mit ihr? Hier ging es ja wohl kaum darum, was er von ihrem Hintern hielt. Sie straffte ihre Schultern und reckte das Kinn vor. »Nein«, sagte sie mit fester Stimme und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Was?« Er sah sie so entgeistert an, als hätte ihm in seinem ganzen Leben noch nie jemand widersprochen.
Vielleicht hatte das ja auch noch niemand getan, überlegte Lily, der jetzt wieder einfiel, dass er irgendeine große Nummer bei den Marines war, spezialisiert auf Aufklärungseinsätze. Dann verhärtete sich sein Mund, und ihre Aufmerksamkeit wurde auf die feine weiße Narbe gelenkt, die seine Oberlippe teilte.
Seltsam, was innerhalb von
Weitere Kostenlose Bücher