Die Lieben meiner Mutter
in den letzten Wochen, jeden zweiten Tag besucht. Heinrich und er hatten verabredet, sich mit ihren Besuchen abzuwechseln. Als die Krankenschwester Horst mitteilte, dass die Mutter nur noch wenige Tage zu leben hatte, habe er versucht, sich von ihr zu verabschieden. Er habe ihr gesagt, dass er Heinrich das Recht zum Besuchen überlassen wolle. Entkräftet wie sie war, habe sich die Mutter in ihrem Bett aufgerichtet und ihm eine Szene gemacht. Was ihm einfiele, sie in ihren letzten Tagen allein zu lassen! Sie nannte ihn einen Feigling, ja, »Feigheit in der Liebe« habe sie ihm vorgeworfen.
Vonda an war Horst nur noch im Garten des Krankenhauses spazieren gegangen und hatte stumme Grüße zu dem Fenster hochgeschickt, hinter dem seine Geliebte im Sterben lag.
Die Mutter hatte sich bei Heinrich über Horsts »Versagen« beklagt. Und Heinrich war bereit gewesen, seiner Frau auch diesen, seinen letzten Liebesdienst zu erweisen. Er überredete Horst, die Mutter gemeinsam mit ihm zu besuchen. Die beiden Freunde standen an ihrem Bett, als sie für immer die Augen schloss. Er sei eine Zeit lang wie gelähmt gewesen, erzählte Horst, unfähig zu einer Regung, er habe das Gefühl gehabt, er habe gar kein Recht darauf, zu weinen. Da habe Heinrich ihn umarmt. Du hast sie doch auch gekannt in ihrer ganzen Schönheit, habe Heinrich ihm gesagt, du weißt so gut wie ich, was wir verloren haben!
Lange hatten die beiden Freunde vor der jungen Toten gestanden und sich erzählt, was sie ihnen bedeutet hatte, als sie lebte.
Andreas hat wohl erst durch die Todesanzeige, in der sich Heinrich von »seiner geliebten Frau und einzigen Lebensgefährtin« verabschiedet vom Ableben der Mutter erfahren.
Es könnte in den Tagen oder Wochen nach ihrem Tod gewesen sein, dass die drei Männer, die die Mutter zuletzt geliebt hatte, übereinkamen, ihre Briefe Heinrich zu übergeben – als Zeugnisse einer Frau, deren Sehnsuchtzu schreiben sich in der Zeit, die ihr gegeben war, nur in ihren Briefen erfüllt hat. Da Heinrich ja immer fast alles wusste, konnte er sich nicht getäuscht fühlen und nachträglich kränkende Entdeckungen machen. Bei Horst und Andreas war vielleicht noch ein anderes Motiv im Spiel. Beide hatten ihren Ehefrauen ihre Liaison mit der Mutter verheimlicht und hatten wahrscheinlich ein Interesse daran, ihre Briefe auf diskrete Weise loszuwerden, um nicht nachträglich – durch einen Fund in einem vermeintlich sicheren Versteck – peinigende Szenen oder gar Scheidungsanträge ihrer Gattinnen zu riskieren.
In Andreas’ riesigem Nachlass, der in einem Theatermuseum aufbewahrt wird, kommt der Name seiner langjährigen Geliebten nicht mit einer Silbe vor.
E N D E
Danksagung
Dankenmöchte ich allen, mit denen ich über die Personen und die Umstände, die in diesem Buch geschildert werden, habe sprechen können:
Meinen vier Geschwistern und meiner zweiten Mutter, mit denen ich mich über die Jahrzehnte immer wieder ausgetauscht habe;
Gisela Deus, ohne deren Entzifferungsarbeit und einfühlende Kommentare dieses Buch nicht zustande gekommen wäre;
meiner Cousine Helene Ruckdeschl, die ich durch meine Recherche wieder entdeckte;
dem Historiker Alois Schwarzmüller, dessen Auskünfte und Studie über das »Kriegsende in Garmisch« mir wichtige Aufschlüsse über diese Zeit verschafften;
den Heimathistorikern Hubert Riesch und Willi Thom vom Geschichtsverein »Bär und Lilie«, aus deren Sammlung von Erfahrungsberichten Grainauer Bürger ich viele Details gewonnen habe;
den Grainauern Maria Schuster und ihrem Sohn, dem Altbürgermeister Peter Schuster;
ReginaMüller, der Wirtin des Hotels Hirth, die mir die Geschichte des Hotels erzählte;
Dorle Gräf, die mich in die Villa der Familie Hirth einlud und mir ein Bild von ihrer Jugend in Grainau vermittelte;
Brigitte Hupfer und Matthias Hildebrandt, die meine Erinnerungen an das Grainau unserer Kindheit auffrischten und mir die Begegnung mit meinen Mitschülern aus der Volksschule ermöglichten;
Hannes Vogelmann und Ulrike Ohlmer, die jetzt Besitzer des Hauses in der Alpspitzstraße sind und mich dort willkommen hießen;
William John Reese und Jay LeBeau, die mir Zugang zum ehemaligen Headquarter der US -Army in Garmisch-Partenkirchen, heute G. C. Marshall-Center, European Center for Security Studies, gewährten und mir Einblicke in die Geschichte der Besatzungszeit verschafften;
Joe vom früheren PX -Laden, dem dienstältesten Angestellten der US -Army in Bayern, der mir
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