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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Assistenten zu entwerfen. Als der Text zu meiner Zufriedenheit gelungen war, schickte ich das Inserat an das Medical Journal, damit es in der kommenden Woche erscheinen könnte.
    In den frühen Morgenstunden des Tages, an dem es erscheinen sollte, hatte Reverend Barker wieder einen Herzanfall. Ich war drei Stunden bei ihm, und als ich gerade wieder im Bett lag und darum betete, daß er mit den Medikamenten, die ich ihm gegeben hatte, wieder den Morgen erreichen möge, klingelte das Telefon wieder.
    »Oh, mein armer Liebling«, seufzte Sylvia aus der Behaglichkeit ihrer Kissen heraus, und ich hob den Hörer ab.
    Eine Stimme sagte »Hallo« in einem zwar erregten, aber nicht ängstlichen Ton.
    »Hallo«, antwortete ich.
    »Ich hab’ ihn!«
    »Was haben Sie?«
    »Den Posten vom alten Meakin! Ich bin Chefarzt.«
    » Faraday!«
    »Du sagtest, daß ich dich anrufen sollte.«
    »Weißt du, wie spät es ist?«
    »Du sagtest >jederzeit<. Ich erinnere mich ganz genau. Ach, ich kann es gar nicht glauben! Darf ich zu euch kommen?«
    »Nein, das darfst du nicht. Geh ins Bett.«
    »Ich bin doch nicht imstande zu schlafen.«
    »Nun, dann weck irgendeinen armen, alten Hausarzt und laß dir eine Schlaftablette geben.«
    »Du schlecht gelaunter, alter Bursche.«
    »Danke, gleichfalls. Cheerio.«
    »Wohin gehst du?«
    »Schlafen. Was denkst du denn? Und, Faraday...«
    »Ja?«
    »Herzlichen Glückwunsch! Ich freue mich wirklich.«
    »Du kannst deine Dankbarkeit in der bewährten Art zeigen.«
    »Wieso?«
    »Schick mir Patienten.«
    »Harley Street?«
    »Wo sonst? Ich gebe dir noch die Nummer an. Geh wieder ins Bett und entschuldige, wenn ich dich gestört habe, Sylvia auch.«
    »Schon gut«, knurrte ich. »Gute Nacht.«
     

4. KAPITEL
     
    Selbst in meinen trüben Augen wirkte das Inserat gut: »Assistent gesucht, beliebter Londoner Vorort, Wohnung außer Haus, Geburtshilfe, Aufstiegsmöglichkeit, Gehalt entsprechend den Erfahrungen.«
    Ich konnte es kaum glauben. Es war doch noch gar nicht so lange her, daß ich mit einem nikotingelben Finger die Spalten des gleichen Medical Journal nach einer Assistentenstelle durchsucht hatte, von deren magerem Einkommen man sich kaum die Zigaretten kaufen konnte. War es möglich, daß ich mich in so wenigen Jahren von einem unterernährten, unterbezahlten, überarbeiteten Assistenzarzt zu einem wohlgenährten Hausarzt entwickelt hatte, der in der Lage war, einen großen Teil seines Einkommens an einen Assistenten abzugeben?
    Caroline, die sich beim Lesen der Anzeige über meine Schultern gebeugt hatte, so daß ich ihren Atem an meinem Hals spürte, fragte: »Ich kann nicht verstehen, was Aufstiegsmöglichkeit bedeuten soll.«
    »Aussicht auf Teilhaberschaft, falls die Praxis sich so ausdehnt, daß es sich lohnt. Setz dich, iß dein Joghurt und sei brav.«
    Sie setzte sich lässig zu ihrem Joghurt und ihrem Orangensaft, dem von ihr bevorzugten Frühstück.
    »Ich hoffe, du findest einen gut aussehenden«, sagte sie. »Es wäre nett, einen reizenden Mann hier zu haben.«
    »Ich bin mehr an seinen medizinischen Qualitäten interessiert. Schönheit steht leider ganz unten auf der Liste der gewünschten Eigenschaften.«
    »Wenn du einen Assistenten mit charakterlichen Vorzügen suchst, erinnere dich bitte daran, daß ich Soziologie studiere und große Erfahrungen habe.«
    »Davon bin ich überzeugt«, sagte Sylvia und schnitt Peters Toast durch.
    »Ich kann die Leute sofort durchschauen.« Caroline beugte sich über den Tisch und sah mich über den Rand ihrer Brille an. »Hast du je über die Beziehungen zwischen Körper und Charakter nachgedacht?« Sie hob ihren Finger. »Mit Charakter meine ich dabei die Gesamtheit aller möglichen Anlagen und bewußten Reaktionen irgendeiner gegebenen Person, die sich im Laufe ihrer Entwicklung bemerkbar machen, das heißt was sie ererbt hat plus den folgenden exogenen Faktoren: körperliche Einflüsse, geistige Ausbildung, Milieu...«
    Penny unterbrach sie: »Vielen-Dank-für-das-gute-Frühstück-bitte-kann-ich-gehen?«
    »Ja, geh und putz deine Zähne - du auch, Peter.« Sylvia lächelte Caroline zu: »Entschuldige die Unterbrechung.«
    »Macht nichts.« Caroline wandte sich an Sylvia. »Zur Illustration dieser Erläuterungen brauchst du nur dich selbst zu betrachten. Nach einem Blick würde ich dich als asthenisch-athletischen Typ klassifizieren.«
    »He, einen Augenblick«, fuhr ich dazwischen. Ich vertrug es nicht, daß sie etwas gegen Sylvia einzuwenden hatte.

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