Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
Vom Netzwerk:
stehen. Vor ihnen erhoben sich dunkle Türflügel, von verschwommenen Gestalten mit langen Bannern in den Händen flankiert. Ein Luftzug kräuselte den Stoff, und die Heiligen Eichen flammten auf, als einige Goldfäden der Stickereien das Sonnenlicht einfingen.
    Das Wiedererkennen traf Gair wie ein Stein in die Eingeweide. Diese Türen führten zur Ratshalle, in der die Ritter ihre Versammlungen und Zeremonien abhielten … und in der der Orden seine Urteile sprach. Gairs Knie gaben nach, und die Ketten klirrten, als er die Hände ausstreckte, um nicht auf den polierten Boden zu fallen. In ihm regte sich noch ein letztes Wispern der Musik, das rasch verstummte.
    Das Urteil. Nun durfte er nicht mehr hoffen, verschont zu werden. Nun durfte er auf nichts mehr hoffen als auf Gnade.
    O Göttin, sieh jetzt freundlich auf mich herab .
    Vor ihm schwangen die großen Türflügel lautlos nach innen.
    Von dem durch einen Vorhang abgetrennten Balkon aus über der Tür konnte Alderan die gesamte Ratshalle von den Wachen in ihren Waffenröcken am Eingang bis zu der Bronzeeiche mit den vielen Blättern über dem Stuhl des Präzeptors überblicken, die in dem Sonnenlicht erglänzte, das durch die hohen Fenster einfiel. Alderans Position lag so hoch über den Blickwinkeln der anderen Anwesenden, dass er in Sicherheit war, vorausgesetzt, er tat nichts, was die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken vermochte. Dennoch war es ein Risiko, hier zu sein.
    Auf den Bänken zu beiden Seiten der Halle drängten sich die Hierarchen, die in ihrem formellen Scharlachrot prächtig anzusehen waren – ein ganzer Saal voller rosiger Wangen und gut gepolsterter Hintern; alle schwatzten, nickten und spreizten das Gefieder.
    Alderan kräuselte die Lippen. Das sind die Erben von Endirion? Der Erste Ritter muss sich im Grabe herumdrehen.
    Aus einer Seitentür traten zwei Männer, die in ihren schwarzen Roben so nüchtern wie Raben wirkten. Sie nahmen ihre Plätze an zwei Tischen ein, die einander vor dem Podest des Präzeptors an den Wänden gegenüberstanden. Der Ankläger durchblätterte kurz seine Papiere, während der Schreiber Tinte und Feder bereitlegte, um die Verhandlungen dieses Tages für das Archiv festzuhalten. Einen Augenblick später betrat der Präzeptor die Halle.
    Ansel hielt den kantigen Körper so hoch gereckt wie immer, doch die Farbe seines dichten Haares passte zu der weißen Robe, und die Hand, die den Amtsstab hielt, war vor Arthritis knotig und verdreht.
    Da hat er am Ende doch noch einen Gegner getroffen, den er nicht besiegen kann. Der Held von Samarak wird durch die Zeit bezwungen .
    Der Kaplan an Ansels Seite wirkte unverändert und war lediglich etwas grauer geworden, seit Alderan ihn zuletzt gesehen hatte. Danilar neigte den an einen Löwen gemahnenden Kopf zu Ansel hinunter, flüsterte ihm etwas zu, was nur er hören sollte, und runzelte die Stirn über die Antwort. Er steckte die massigen Hände in die Ärmel der Robe und ging zu seinem Sitz in der ersten Bankreihe. Ansel reckte die Schultern, kletterte die Stufen des Podests hoch und wandte der Halle das Gesicht zu. Die Hierarchen verstummten.
    »Ich rufe den Rat zur Ordnung«, verkündete er. »Wir wollen beginnen.«
    Ein Fingerzucken Ansels zeigte den Wächtern an, dass sie die Tür öffnen sollten. Sämtliche Hierarchen beugten sich vor und wollten einen Blick auf den eintretenden Angeklagten erhaschen. Alderan ballte die Fäuste im Schoß. Die Hierarchen waren die ältesten Würdenträger des Ordens und nur dem Präzeptor untergeordnet, der wiederum lediglich noch den Lektor von Dremen über sich hatte.
    Man sehe sie sich bloß einmal an! Sie glotzen wie Bauerntölpel auf dem Jahrmarkt, die darauf warten, dass der Schausteller die bemalte Dame oder das zweiköpfige Kalb hervorholt. Ich hoffe, die Göttin beobachtet genau, was ihre Gesalbten gleich in ihrem heiligen Namen tun werden .
    Durch die Tür schritten zwei Marschälle; zwischen ihnen stolperte der Gefangene einher. Langes, strähniges Haar und die Bartstoppel vieler Tage verbargen das Gesicht des Angeklagten, aber nichts konnte verbergen, was ihm angetan worden war. Sein nackter Körper war mit Prellungen und Blutergüssen übersät. Narben von Peitschenhieben überzogen seinen Rücken, und der eine Fuß hinterließ bei jedem Schritt blutige Schlieren auf dem schwarz und weiß gemusterten Boden. Als die Marschälle ihn an das Mahagonigeländer ketteten, stürzte er auf die Knie; er war so schwach, dass er nicht

Weitere Kostenlose Bücher