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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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aber war, daß man mich wegen meiner Vorliebe für Sterne aufzog und meine Mutter mir verbot, abends im Garten zu bleiben. Mehr noch als Männer werden Kinder durch tyrannische Verbote aufgebracht. Die Kinder haben vor den Männern voraus, daß sie ausschließlich an die verbotene Sache denken, die deshalb einen unwiderstehlichen Reiz auf sie ausübt. So kam es, daß ich viel Prügel für meinen Stern erhielt. Da ich mich niemand anvertrauen konnte, klagte ich ihm meine Leiden, mit jenem entzückenden inneren Gemurmel, in dem ein Kind seine ersten Gedanken ausdrückt, auf dieselbe Weise, wie es einmal seine ersten Worte gestammelt hat. Im Alter von zwölf Jahren, auf der Schule, betrachtete ich ihn noch mit unsäglichem Entzücken; so tiefe Spuren lassen die Eindrücke zurück, die wir in der Frühe des Lebens empfangen haben.
    Charles ist fünf Jahre älter als ich; er war ebenso schön als Kind, wie er als Mann ist; er war der Liebling meines Vaters, der Augapfel meiner Mutter, die Hoffnung der Familie. Also regierte er das Haus. Er war gut gewachsen, kräftig und hatte einen Hauslehrer. Ich dagegen, im Alter von fünf Jahren, war schmal und schwächlich und wurde als Externer in eine Stadtpension geschickt. Der Kammerdiener meines Vaters brachte mich morgens hin und holte mich abends wieder ab. Ich bekam einen wenig gefüllten Korb mit, indes meine Kameraden immer mit reichlichen Eßwaren ankamen. Dieser Gegensatz zwischen meiner Ärmlichkeit und ihrem Überfluß hatte tausend Leiden zur Folge. Den Hauptbestandteil der Mahlzeit, die wir um Mittag, zwischen dem ersten Frühstück zu Hause und dem Mittagessen in der Anstalt, bei der Rückkehr aus der Schule abhielten, bildeten die berühmten Tourainer Schmalzklöße. Dies von einigen Feinschmeckern so geschätzte Gericht kommt in Tours selten auf eine aristokratische Tafel; und wenn ich von ihm schon vor meinem Eintritt in die Anstalt gehört hatte, so war mir doch nie das Glück des Anblicks zuteil geworden, wie diese braune Konfitüre für mich auf eine Brotschnitte gestrichen wird. Aber selbst wenn sie in der Pension nicht Mode gewesen wäre, meine Lust danach wäre doch nicht geringer gewesen; denn sie war für mich etwas wie eine fixe Idee geworden, so wie eine der elegantesten Fürstinnen von Paris vom Verlangen nach den Ragouts der Hausleute verzehrt wurde und als Frau auch nicht abzuhalten war, ihren Wunsch zu befriedigen. Kinder erraten die Begehrlichkeit in Blicken mit derselben Sicherheit, wie ihr darin Liebe lest: so wurde ich die ausgezeichnete Zielscheibe des Spottes. Meine Kameraden, die fast alle aus dem Mittelstand waren, hielten mir ihre köstlichen Klöße hin und fragten, ob ich wüßte, wie man sie zubereitete, wo sie verkauft würden, warum ich keine mitbrächte. Sie rühmten, wenn sie sich während der Mahlzeit mit der Zunge den Mund wischten, ihre Klöße, ein feingehacktes Schweinefleisch, das in seinem eigenen Fett geschmort wird und ähnlich aussieht wie gekochte Trüffeln. Sie untersuchten meinen Korb, fanden nichts als Käse aus Olivet oder trockene Früchte und marterten mich mit einem »Bist du so arm?«, das mich den ganzen Unterschied zwischen meinem Bruder und mir ermessen ließ. Dieser Gegensatz zwischen meiner Ärmlichkeit und dem Glück der andern hat die Rosen meiner Kindheit beschmutzt und meine grünende Jugend geschändet. Das erstemal, als ich im Glauben an ein hochherziges Gefühl die Hand ausstreckte, um den so sehr begehrten Leckerbissen entgegenzunehmen, den mir jemand mit einer scheinheiligen Miene hinhielt, zog der Spaßvogel die Brotschnitte unter dem Gelächter der darauf vorbereiteten Kameraden zurück. Wenn selbst die hervorragendsten Geister der Eitelkeit zugänglich sind, warum sollte man einem Kinde nicht verzeihen, das weint, weil es sich verachtet und verspottet sieht? Wie viele Kinder wären dabei Schlemmer, Schnorrer, Feiglinge geworden! Um den Verfolgungen zu entgehen, schlug ich um mich. Die Wut der Verzweiflung machte mich gefürchtet; aber zugleich wurde ich eine Zielscheibe des Hasses und der Hinterlist. Eines Abends auf dem Heimweg erhielt ich rücklings einen Schlag mit einem Taschentuch, dessen Knoten Kieselsteine enthielt. Als der Kammerdiener, der mich ausgiebig gerächt hatte, meiner Mutter das Ereignis mitteilte, brach sie in die Worte aus: »Mit diesem verfluchten Kinde werden wir nichts als Sorgen haben.«
    Ich verbohrte mich in ein ungeheures Mißtrauen gegen mich selbst, als ich wahrnahm,

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