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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Tode gemartert! Wirklich, ich kann mir nichts Abscheulicheres denken. Unter all den glühenden und unglücklichen jungen Leuten, die ihren Ehrgeiz durch die Straßen von Paris schleppen, gibt es sicher nicht einen, der nicht zehn Jahre lang enthaltsam bliebe, um auch nur die Hälfte der Gunstbezeigungen zu erringen, die Sie nicht zu schätzen wußten. Wenn man so geliebt wird, wie kann man denn da noch mehr verlangen?
    Arme Frau! Sie hat viel gelitten, und wenn Sie ein paar sentimentale Phrasen vorgebracht haben, glauben Sie mit ihrem Sarge versöhnt zu sein. Das ist wohl auch der Lohn, der meiner Liebe zu Ihnen beschieden wäre. Nein, ich danke, lieber Comte, ich will keine Rivalin, weder jenseits noch diesseits des Grabes. Wenn man solche Verbrechen auf dem Gewissen hat, tut man wenigstens gut daran, sie zu verschweigen. Ich habe eine unvorsichtige Bitte an Sie gerichtet, ich war in meinem Recht als Frau, als Evastochter. Ihre Sache war es, Ihre Antwort genau abzuwägen. Sie hätten mich belügen sollen, später hätte ich Ihnen dafür gedankt. Haben Sie denn nie die große Tugend des Don Juan verstanden? Fühlen Sie denn nicht, wie großmütig die sind, die uns schwören, daß sie nie geliebt haben, daß sie zum ersten Mal lieben? Ihr Programm ist undurchführbar. Gleichzeitig Madame de Mortsauf und Lady Dudley sein wollen – aber, lieber Freund, heißt das nicht: Wasser und Feuer vereinigen wollen? Wissen Sie denn gar nichts von den Frauen? Sie sind, was sie sind, sie müssen wohl die Fehler ihrer Vorzüge haben. Sie haben Lady Dudley zu früh kennengelernt, um sie schätzen zu können, und das Schlechte, was Sie ihr nachsagen, scheint mir nur eine Rache Ihrer verletzten Eitelkeit zu sein. Madame de Mortsauf haben Sie zu spät verstanden. Sie haben der einen vorgeworfen, daß sie nicht die andere sei; wie wird es erst mir ergehen, die ich weder die eine noch die andere bin?
    Ich liebe Sie hinreichend, um ernstlich über Ihre Zukunft nachzudenken, denn ich habe Sie wirklich lieb, Sie Ritter von der traurigen Gestalt, Ihr Aussehen hat mich immer gefesselt! Ich glaubte an die Treue der Schwermütigen, aber ich wußte nicht, daß Sie bei Ihrem Eintritt ins Leben die schönste und tugendhafteste aller Frauen gemordet hatten. Nun, ich habe mir überlegt, was Ihnen zu tun übrigbliebe, und es reiflich erwogen. Ich glaube, lieber Freund, daß Sie irgendeine Madame Shandy heiraten sollten, die nichts von Liebe und Leidenschaft weiß, die sich weder um Lady Dudley noch um Madame de Mortsauf kümmerte und vollständig gleichgültig bliebe gegen Ihre Verstimmungen, die Sie Melancholie nennen – in dieser Verfassung sind Sie etwa so unterhaltend wie ein Landregen –, kurz, eine Frau, die für Sie die treffliche Barmherzige Schwester wäre, nach der Sie verlangen. Lieben, bei einem Worte erbeben, Glück erwarten können, es nehmen und geben, die tausend Stürme der Leidenschaft erfahren, die kleinen Eitelkeiten einer geliebten Frau zu Ihren eigenen machen, das alles gibt es für Sie nicht mehr, lieber Comte. Sie haben zu spät den Rat befolgt, den Ihnen Ihr guter Engel gab, als er auf die jungen Frauen zu sprechen kam. Sie haben sie so lange gemieden, daß Sie sie gar nicht kennen. Madame de Mortsauf hatte recht, Sie von vornherein so sehr zu erheben; alle Frauen hätten Sie gehemmt, Sie hätten es zu nichts gebracht. Jetzt ist es zu spät, eine gute Schule durchzumachen, um das sagen zu lernen, was wir gern hören, um zur rechten Zeit groß zu sein und um unsere Kleinlichkeiten anzubeten, wenn es uns Vergnügen macht, kleinlich zu sein. Wir sind nicht so dumm, wie Sie meinen; wenn wir lieben, stellen wir den Marin unserer Wahl über alles. Was unsern Glauben an unsere Überlegenheit erschüttert, erschüttert auch unsere Liebe. Wenn Sie uns schmeicheln, schmeicheln Sie sich selbst. Wenn Sie darauf halten, in der Gesellschaft zu bleiben und sich des Umganges mit Frauen zu erfreuen, so verschweigen Sie sorgfältig, was Sie mir gesagt haben: ›Frauen schätzen es nicht, die Blumen ihrer Liebe auf Felsen zu säen und ihre Zärtlichkeit zu verschwenden, um die Qual wunder Herzen zu lindern.‹ Jede Frau müßte die Dürre Ihres Herzens entdecken, und Sie wären stets unglücklich. Wenige von ihnen wären ehrlich genug, Ihnen ohne Haß die Hand zu reichen und Ihnen ihre Freundschaft anzutragen, wie es heute tut
    Ihre ergebene Freundin
Natalie de Manerville.‹

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