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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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verbracht hatte. Ihr Vater hatte sie zu sich rufen lassen, denn er war dabei, über eine Ehe mit dem walisischen Prinzen Llewelyn zu verhandeln. Angesichts der fortdauernden Kämpfe in der Normandie war es wichtig, wenigstens an der Grenze zu Wales Ruhe zu haben.
    »Ich werde Euch vermissen, Euer Gnaden«, sagte sie traurig, während sie mit Alienor auf deren Lieblingsweg durch den Garten schritt. Alienor berührte sachte ihre Schulter. »Ich werde dich auch vermissen, Joanna.«
    »Seid Ihr sicher, daß Ihr nicht mit mir an den Hof kommen wollt?« Die Königin schüttelte den Kopf. »Aber Ihr werdet einsam hier sein, Großmutter!« Alienor lächelte. »In einem Kloster voller Nonnen und Mönche? Es gibt wenige Orte auf der Welt, wo man seltener allein sein kann.« Sie verzog das Gesicht. »Was wohl Bernhard von Clairvaux gesagt hätte, wenn er erführe, daß ich meine Tage mehr und mehr in einem Gotteshaus verbringe!«
    »Bernhard von Clairvaux?« fragte Joanna ehrfürchtig staunend.
    »Der Heilige? Ihr habt ihn noch gekannt? Aber er muß doch vor mindestens hundert Jahren gelebt haben!« Sie wurde sich ihrer Taktlosigkeit bewußt und legte jäh die Hand auf den Mund.

    Alienor lachte. »Ganz so lange ist es nicht her. Ich glaube, ich könnte ein Buch schreiben über all die Heiligen, die ich in meinem Leben gekannt habe, und wie sie wirklich waren - aber die Kirche würde es sofort auf den Index setzen.«
    Harmonisch schlenderten sie weiter, und Alienor bemerkte: »Immerhin, das erinnert mich an etwas. Hast du die Krypta je gesehen?«
    Joanna verneinte verwundert. »Ich habe nur den normalen Gottesdiensten beigewohnt.«
    »Dann komm.«
    Die Königin führte sie in die Krypta, und Joanna sah die Grabmäler, die dort aufgestellt waren: Henry II. von England und ihm zu Füßen zwei seiner Kinder, Richard I. und dessen Schwester Joanna, die ihren Namen trug.
    Sie blickte wieder auf ihre Großmutter. »Was denkt Ihr, wenn Ihr das seht?« fragte sie impulsiv. Alienor neigte den Kopf ein wenig zur Seite. »Daß ich Henry einmal versprochen habe, daß wir beide gemeinsam zum Teufel fahren - und daß ich ihn schon eine Ewigkeit lang warten lasse. Doch das ist das Privileg von uns Frauen, Joanna.
    Außerdem geschieht es ihm recht - dem alten Ungeheuer.«
    Joanna sagte beunruhigt: »Ihr fühlt Euch doch wohl, oder? «
    Die Königin lachte. »Ich habe mich noch nie so wohl gefühlt, mein Kind. Du weißt doch, ich werde ewig leben - allein schon, um Philippe zu ärgern.«
    »Dann kann ich wieder hierherkommen und Euch besuchen?«
    »Vielleicht besuche auch ich dich, wenn du diesen Waliser tatsächlich heiratest«, antwortete Alienor versonnen, »was hältst du davon? Ich war noch nie in Wales.«
    Joanna hakte sich bei ihr ein, und gemeinsam verließen sie die Krypta.
    »Ja, ich werde kommen«, sagte die Königin, und Freude und Hoffnung lagen in ihrer Stimme, »im Frühling.«

    Ein halbes Jahr später, am einunddreißigsten März 1204, starb Alienor von Aquitanien in Fontevrault, wo sie neben ihrem Gemahl und ihrem Sohn beigesetzt wurde. Sie war einundachtzig Jahre alt geworden.

NACHWORT

    »Melusine«, »leichtsinnig«, »eine meisterhafte Politikerin«, »romantisch«, »kaltblütig und ehrgeizig«, »Leitstern der Troubadoure«
    oder auch »wenig besser als eine Dirne« - all das hat man Eleonore von Aquitanien im Laufe der Zeit genannt. Schon während ihres Lebens bildeten sich Legenden um sie, die ungefähr fünfzig Jahre nach ihrem Tod ins Uferlose auswuchsen - eine der amüsantesten, die alle erkennbaren Daten wild durcheinanderwirbelt, ist die von ihrer Affäre mit keinem anderen als Saladin während ihres Kreuzzugs, die als Ergebnis natürlich den teuflischen John hatte. (Zur Entstehungszeit der Legende hatte er seine große Auseinandersetzung mit dem Papst-tum schon hinter sich.)
    Zweifelsohne war Eleonore - Alienor, wie die Form ihres Namens in der langue d’oc lautet - aus dem Stoff, der zur Legende qualifiziert. Legenden sind nicht immer Tatsachen, und mein Roman ist infolgedessen genau das; ein Roman, keine Biographie. Dennoch entsprechen viele Details, die als romanhafte Zutat gelten könnten, den Fakten, so zum Beispiel die Auseinandersetzung Guillaumes IX, in der Geschichte als »der erste Troubadour« bekannt, mit seinem Sohn über seine Geliebte Dangerosa, Alienors Streit in Antiochia mit ihrem Gemahl Louis oder der Sturm während ihrer und Henrys Überfahrt nach England. Eine der Freiheiten, die ich mir

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