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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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Selbst wenn der Hausherr, die Gattin oder die Tochter über Nacht erkrankt wären, wäre dies doch kein Grund gewesen, das Haus verdunkelt zu lassen .
    »Da muß was passiert sein! Wir müssen nachschau'n!«
    Einer rief es, und die anderen stimmten darin ein. Mehr und mehr Leute rotteten sich vor der Apotheke zusammen.
    »Da ist ein großes Unglück passiert!« wollte eine Frau wissen, die der gichtigen Haltung nach zu Gmelins besten Kunden gehörte. »Da lebt keiner mehr! Ich spür's!«
    Tobias spürte ähnliches, er wollte es sich nur nicht eingestehen.
    Noch immer stand er mitten in der Versammlung, und daß ihn kein Mensch ansprach, verwunderte ihn in keiner Weise, denn er wollte es nicht. Am liebsten hätte er sich irgendwohin verkrochen. Der faulige Geschmack in seinem Mund war noch stärker geworden. Als hätte er Erde aus einem Grab gekaut .
    Allmächtiger! unterbrach Tobias die immer wüster werdenden Gedanken. Er zwang sich, auszuhalten. Hier auf der Straße, unter den Leuten, von denen sich die meisten wirklich um die Gmelins sorgten.
    Was war passiert? War Kristine überhaupt gut heimgekommen, nachdem sie ihn verlassen hatte, oder .
    ... hatte jemand sie abgefangen und war mit ihrem Schlüssel in die Apotheke eingedrungen, um - Es zerriß ihm fast das Herz. Und gleichzeitig wurde ihm endgültig klar, daß er an Kristine mehr hing als an all den hübschen Mädchen vor ihr.
    In diesem Moment ergriff ein Mann aus der Menge das Wort und die Initiative.
    »Nur die Ruhe, Leut'! Ich werd' nachsehen. Bleibt ihr nur hier und haltet euch im Zaum!«
    Sofort kehrte wirklich Ruhe ein. Der Auer war ein geachteter Mann, und er verstand sich wohl besser als jeder andere darauf, die verschlossene Tür zur Apotheke so aufzustemmen, daß der Schaden so gering wie möglich gehalten wurde.
    Auch Tobias war erleichtert, als er hörte, wie Balthasar Auer das Heft des Handelns in die Hand nahm. Er hatte dem tüchtigen Schmied das eine oder andere Mal bei dessen Arbeit über die Schulter geschaut und war überzeugt, daß kein Mensch in der Stadt geschicktere Hände besaß als er. Im Grunde war seine Kunst an Gäulen, Wagenrädern und anderen grobschlächtigen Dingen verschenkt. Aber Auer schien's zufrieden, und letztlich war es seine Sache, wie er mit seinen Talenten umging. Schließlich verwahrte sich auch Tobias gegen jedwede Einmischung in sein Privatleben.
    Kurz darauf kehrte ein Bub, den der Schmied zu sich nach Hause geschickt hatte, mit einem Kasten voller Werkzeug zurück, und Auer machte sich sogleich an die Arbeit.
    Er war Linkshänder, und gerade diese Linke schaffte es im Handumdrehen - fast schien es Tobias, ohne Zuhilfenahme des Stichlings, den die Rechte hielt -, das Schloß zu knacken. Kaum war dies geschehen, richtete er sich auf und gebot der nachdrängenden Menge Einhalt.
    »Nein! Bleibt stehen, gute Leut'! Wenn's falscher Alarm ist, wird der Gmelin uns das nie verzeihen - um so weniger, je mehr von uns ihm ungebeten in sein Haus schneien! Laßt mich allein nachseh'n, ich bin gleich wieder zurück!«
    Tobias war damit überhaupt nicht einverstanden - allerdings nur, weil er aus Kummer um Kristine fast närrisch wurde. Wie die anderen folgte jedoch auch er Auers verständlichem Ansinnen. Bis der Schmied aber endlich wieder zu ihnen auf die Straße trat, war Tobias ein paarmal drauf und dran gewesen, ihm hinterherzueilen.
    Wuchtigen Schrittes stellte sich Balthasar Auer vor die Menge und hielt einen beschrifteten Bogen Papier in die Höhe, etwa eine Elle lang und breit.
    »Was ist das?« rief jemand. »Und wie sieht's da drinnen aus?«
    Auer wedelte mit dem Schriftstück. »Alles in Ordnung, ihr Leut'! Nichts Schlimmes ist den Gmelins widerfahren! Diesen Zettel hier fand ich auf dem Küchentisch. Offenbar wurde vergessen, ihn an die Tür zu heften, denn drauf steht, daß der Apotheker für ein paar Tag mit seiner Familie nach Schlierbach 'rüber zu seinem Bruder gefahren ist, weil dessen Frau g'storben ist. Da, lest selbst!«
    Und mit diesen Worten hielt der Schmied ihnen das Blatt hin, das er gefunden hatte.
    Die meisten kannten die verschlungene Handschrift des Apothekers, und so gab es nicht den geringsten Zweifel an der Echtheit dieser Botschaft.
    »Ich bring' die Tür noch heut' wieder in Ordnung«, schloß Auer, »und häng' das Schild draußen an, damit auch die, die morgen vor verschloss'nem Eingang stehen, im Bilde sind!«
    »Und was ist, wenn's uns zwickt und wir Hilf und ein Pülverchen brauchen?«

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