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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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konkurrierender Gang geriet ins Stocken. Das Werkzeug im mitgeführten Kasten klapperte. Eine Weile stand er mitten auf der Straße und kehrte Tobias den Rücken zu.
    Dann aber, als ahnte er die ihn von hinten taxierenden Blicke, wandte er sich der Linde und dem halb dahinter verborgenen Jüngling zu.
    »Du Nichtsnutz schon wieder?« Auer machte eine Geste zur Apotheke. »Warst du das?«
    Tobias löste sich hölzern aus dem Schatten des Baumes. In einiger Entfernung zeigten sich Leute auf der Straße, aber auf eine schwer zu erklärende Weise fühlte er sich dennoch ganz allein mit dem Schmied.
    Er versuchte die Gewalt über sich zurückzuerlangen und die Dinge, die er in der Apotheke gesehen hatte, in sich zu ordnen.
    Er scheiterte. Die Verwirrung blieb ihm treu. Er hatte noch nie gestottert, aber jetzt tat er es.
    »I-Ich ha-hab's geseh'n!«
    »Was hast du gesehen?« Auer stellte den Kasten mitten auf den Weg und ging Tobias langsam entgegen.
    »Ich war d-drinnen!«
    »Im Haus?«
    Tobias nickte. Seine Hände suchten Halt an seiner Kleidung. Nervös trat er von einem Fuß auf den anderen. »D-du hättest es au-auch seh'n müssen .«
    »Wovon redest du, Kerl?«
    Das Glitzern in Auers Augen brachte Tobias zum Verstummen. Am liebsten hätte er sich die Zunge abgebissen, aber es war zu spät. Er hatte es bereits zugegeben. Er hatte preisgegeben, was ihn Kopf und Kragen kosten konnte.
    Andererseits .
    »Was geht hier vor, Auer?« Er bekam seine Stimme wieder unter Kontrolle, und irgendwie zog er daraus neues Selbstvertrauen. »Wenn du's wirklich nicht geseh'n hast, mußt du's dir anschau'n -und dann müssen wir den Büttel rufen!«
    »Den Büttel?« Auer blieb einen Schritt vor ihm stehen und stemmte die Fäuste in die breiten Hüften. »Ich frag' dich noch mal: Was willst du geseh'n haben?«
    Tobias suchte nach den rechten Worten, fand sie nicht und begann schließlich umständlich zu beschreiben, welche Situation er in der Gmelinschen Schlafstube vorgefunden hatte. Aber noch während er darum rang, das Grauen in adäquater Sprache wiederzugeben, wuchsen in ihm die Zweifel, ob er solchen Wahnsinn wie geschildert auch tatsächlich erlebt haben konnte.
    Fast war er geneigt, es zu verneinen.
    Beinahe.
    Im Moment seines größten Zauderns schoß plötzlich Auers linke Hand vor und knotete sich um den Hemdkragen von Tobias. Im nächsten Moment fühlte sich der Jüngling angehoben, als hätte er nicht mehr Gewicht als eine Feder.
    Verzweifelt zappelte er in der Faust des Schmieds, die ihm von unten gegen den Kehlkopf drückte und ihm dadurch zu allem anderen Elend auch noch die Luft verknappte!
    »Los-las-sen ...!« röchelte Tobias.
    Auf Auers Zügen bildete sich ein Ausdruck, der in der Lage gewesen wäre, selbst auf hochprozentigsten Fusel eine Eisschicht zu zaubern, und in Tobias' Adern brachte er damit fast das Blut zum Gerinnen.
    »Nein«, knirschte der Schmied. »O nein, du eitler Hahnrei! Diese Hand bleibt, wo sie ist, bis wir uns beratschlagt haben, was weiter mit dir geschieht! Und jetzt hör auf, dich zu wehren, du hast keine Chance! Diese Hand kümmert sich um dich. Du kannst ihr nicht ent-rinnen. Niemand kann das, nicht einmal ich .«
    Diese Worte ließen Tobias auch an Auers Verstand zweifeln. Zugleich begriff er jedoch, daß er sich mit dem Schmied arrangieren mußte, wollte er nicht riskieren, mitten auf der Straße und am hellichten Tag von ihm erwürgt zu werden.
    Die Leute schienen mit Absicht wegzuschauen und sich von dem Platz abzuwenden, wo Tobias am Arm des Schmieds zappelte.
    Was war los mit ihm? Was hatte er mit den Kokons zu tun, die in Gmelins Haus lagen?
    Und was war aus Kristine geworden? Steckte sie in einer der Hüllen aus Spinngewebe .?
    Tobias hob beide Hände zur Kapitulation. Balthasar Auer nickte mürrisch, als hätte er nichts anderes erwartet, pflanzte ihn auf den Boden zurück, lockerte aber die Faust keinen Deut und zerrte seinen Gefangenen überaus grob hinter sich her.
    Anfangs war Tobias noch versucht, die Leute, die ihren Weg kreuzten, zu Hilfe zu rufen. Doch eine innere Stimme riet ihm jedesmal davon ab. Auer machte den Eindruck eines Mannes, der mit unberechenbarer Konsequenz auf einen solchen Versuch reagiert hätte.
    Warum?
    Was war in diesen rechtschaffenen Bürger gefahren?
    Tobias gab seinen Widerstand vollends auf. Wie ein angeleinter Hund trottete er dem Schmied hinterdrein. Und erst als sie anhielten, begann Tobias zumindest zu ahnen, mit wem sich Auer »beratschlagen«

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