Die Loge der Nacht
lobten sein schelmisches Wesen ebenso wie seine gutgewachsene, kraftvolle Erscheinung. Noch keine hatte sich darüber beklagt, daß er sie nicht hinreichend unterhalten hätte. Auch Kristine nicht.
Sie hat nur ein bißchen länger als ihre Vorgängerinnen gebraucht, um meine wahrhaftigen Stärken zu erkennen, dachte Tobias, und im selben Moment fiel ihm ein, wie erstaunlich hartnäckig er ihr seither die Treue hielt. Beeindruckte ihn das vorausgegangene Zieren so nachhaltig ...?
Seine Überlegungen in dieser Richtung stoppten, als Kristine - im Ton noch etwas bedrückter als davor - weitersinnierte: »Der Rest der Welt versinkt in Krieg und Greuel, nur um unsere Heimatstadt macht das Elend nun schon im dreizehnten Jahr einen weiten Bogen. - Verstehst du das?«
»Nein, aber ich habe nichts dagegen einzuwenden. Du etwa?« Tobias schlang seinen Arm fester um ihre wespenschlanke Taille und preßte das, was sich erneut zwischen seinen Schenkeln zu regen begann, herausfordernd gegen ihre hintere Pforte.
Kristine hielt zwei tiefe Atemzüge lang in dieser Lage aus, dann entwand sie sich seiner Umarmung. »Du kannst unmöglich schon wieder Lust verspüren!«
Tobias lachte ein wenig rauh und zeigte, wie zur Beweiskraft, an sich herab:
»Ich trag nichts dazu bei, das schwör ich. Er ist's, der nicht sattzukriegen ist ...!«
»Dann muß er lernen, sich zu mäßigen!« Kristine schlüpfte in ihr Kleid und ordnete es. Daß sie keinerlei Mieder trug, fiel bei ihr nicht ins Gewicht. Ihre wohlgeformten, kleinen straffen Brüste bedurften solcher Hilfe nicht. »Ich jedenfalls unterstütze solche Völlerei keine Minute länger! Auf ein andermal, Tobias Stifter ...!«
Mit diesen Worten flog sie förmlich aus der Stube, in die sich Tobias eingemietet hatte, weil er das Elternhaus im letzten Jahr für gutes Geld hatte verkaufen können. Es war ihm zu groß geworden, außerdem klebten Erinnerungen an jedem Stein. Bilder, die er nach Jahren endlich aus seinem Kopf vertreiben wollte .
Ein Händeklatschen scheuchte die Gespenster ins Vergessen zurück.
Kristines Schweißgeruch schwebte noch im Raum. Tobias hatte keine Sorge, sie allein nach Hause zurückeilen zu lassen. Der Apothekerladen lag gleich ein Haus neben dem »Roten Widder«, und man mußte lange zurückdenken, ehe man einen Fall fand, daß einem schwachen Weibsbild hier in Heidelberg böse Gewalt angetan worden war.
Bestimmt ebenso lang, wie das Mordbrennen in unseren Straßen her ist , dachte Tobias, mindestens dreizehn Jahr ...
Er blies die Kerze neben seiner Schlafstelle aus und rollte sich unter der kratzigen Wolldecke zusammen, wie er es schon als ganz kleiner Bub getan hatte.
Aber es dauerte eine Weile, bis er einschlief. Zu vieles spukte durch seinen Kopf, gerade so, als hätte Kristines Gerede es ihm erst ins Bewußtsein gerückt.
Eis wanderte unter seiner Haut, als das verzerrte Gesicht seiner Mutter - ihr eingeschlagener Schädel - aus der Finsternis hinter seinen geschlossenen Lidern heraufstieg.
Eine Fratze, zwischen Nachtmahr und Wirklichkeit schwankend, die sich Tobias unauslöschlich ins Gedächtnis geprägt hatte.
Ebenso wie die Schreckensgrimasse eines Mannes, dessen Gestalt sich hinter der Mutter hervorschob und dessen zerplatzte Augäpfel ihn anstierten, als wollten sie ihm vorwerfen, daß die schartige Klin-ge ihn damals verschont hatte.
»Vater!«
Tobias' ins Stroh hineingestoßener Schrei wechselte übergangslos in Geschluchze, und niemand, der ihn kannte - auch Kristine nicht -, hätte es für möglich gehalten, daß er diese Töne in der dunklen Stube von sich gab.
Ein Tunichtgut, ein alles und jeden verspottender Taugenichts .
»Vater!«
Das Haus, in dem die Morde geschehen waren, hatte er verkauft, aber die Erinnerungen an die dunkelste Stunde seines Lebens würde ihm keiner abnehmen.
Niemand - niemals ...
*
Der runde Mond glotzte wie ein schwindsüchtiger Verehrer auf die schöne Kristine herab, als sie aus der Hintertür des Gasthofs trat. Lauer Wind wehte. Der Sommer hatte sich noch nicht ganz verab -schiedet, aber wenn man die erfahrenen Alten reden hörte, wartete ein unwirtlicher Herbst auf sie. Die Wetterzeichen standen also nicht zum besten. Solange aber die Pest, gemeines Mordsgesindel oder um ihren Sold betrogene Landsknechte die Gegend auch künftig schonten, wollten die Bürger Heidelbergs es dennoch zufrieden sein. Es ging ihnen ohnehin besser als den meisten Städten, auch wenn es so nicht immer gewesen war .
Kristine
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